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Fand nicht genug Unterstützer: Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU).

© imago images/Stefan Zeitz

Spahn scheitert mit Organspende-Plan: Das Votum gegen die Widerspruchslösung ist ein Fehler

Gesundheitsminister Spahn kann seinen Plan nicht durchsetzen. Doch wenn die Spenderzahlen so niedrig bleiben, führt daran kein Weg mehr vorbei. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Georg Ismar

Gewonnen hat niemand. In Deutschland warten knapp 9000 Menschen auf ein Spenderorgan – sie waren in großer Zahl für das Widerspruchsmodell von Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU).

Die, die seit Monaten um ihr Leben zittern, auf ein neues Herz und eine neue Lunge warten, können viel besser nachempfinden, welche Lösung wirklich die Krise bei den Organspenden in Deutschland mildern könnte: Sie glauben, nur mit mehr Zwang zu einer Entscheidung. Gleiches findet eine Mehrheit der Bürger laut Umfragen.

Dagegen wandte sich eine Allianz von den Kirchen über Politiker aus allen Parteien, auch vielen aus der AfD – sie stellten das Recht auf Selbstbestimmung in den Fokus.

Aber das wäre im Prinzip gewahrt geblieben – jeder kann Nein zur Organspende sagen oder dies den Angehörigen mitteilen. Auch das hätte gereicht, um eine Entnahme nach einem Hirntod zu verhindern.

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Eine der berührendsten Szenen am Rande der Bundestagsdebatte ist die Begegnung von Marius Schaefer mit Grünen-Chefin Annalena Baerbock. Weil sich keine Lungenspende für den an Mukoviszidose erkrankten Jugendlichen finden ließ, spendeten ihm sein Vater und seine Mutter Teile ihrer Lungen. Er nimmt allen Mut zusammen und spricht Baerbock im Bundestagsflur an, als sie zufällig vorbeieilt – er ist tief enttäuscht.

Sie glaubt dagegen, dass auch mit ihrem nun gewählten Modell, wonach es auch weiterhin der aktiven Zustimmung bedarf, die Zahl der Spender steigen wird. Hausärzte, aber auch Bürgerämter sollen die Bürger regelmäßig dazu auffordern, sich in ein Register einzutragen, wo ihre Haltung zur Organspende hinterlegt ist. Und Baerbock argumentiert, dass das Spahn- Modell wohl ohnehin beim Bundesverfassungsgericht gescheitert wäre.

Auch damit wird niemand zur Organspende gezwungen, sondern nur dazu, sich mit dem Thema zu beschäftigen. Seit Jahren gibt es Werbekampagne um Werbekampagne für die Organspende, doch die meisten beschäftigen sich nicht damit.

Keine ethische, sondern eine organisatorische Frage

Ob das Zureden von Ärzten oder Passausstellern daran etwas ändern wird? Es ging daher im Bundestag erstmal gar nicht um eine ethische, sondern vor allem um eine organisatorische Frage. Wie erreicht man eine starke Zunahme der Spenderzahlen?

Fast nur in Ländern mit Widerspruchslösungen ist die Zahl gestiegen – eine Garantie ist sie nicht, aber zumindest wird durch die erzwungene Entscheidung das Spenderpotential klarer. Dennoch hinkt der oft angeführte Vergleich mit Spanien. Das Land hat mit 48,3 Spendern pro Million Einwohner eine weit höhere Quote als Deutschland mit 11,2.

Baerbock-Lager kann sich nicht als Gewinner fühlen

Doch das liegt weniger an der Widerspruchslösung, sondern vor allem sind die Zahlen gestiegen, seitdem eine Entnahme von Organen bereits nach dem Herztod möglich ist und nicht erst beim Hirntod wie in Deutschland. Zu solchen hoch ethischen Fragen ist die deutsche Debatte aber erst gar nicht vorgedrungen.

Minister Spahn hat im Verbund mit dem SPD-Politiker Karl Lauterbach klar Stellung bezogen – und verloren. Aber auch das Baerbock-Lager kann sich nicht als Gewinner fühlen: Keiner weiß, ob ihr Ansatz das Problem löst. Nun sollen die Antworten der Bürger, wenn sie diese geben, in einem Organspenderegister hinterlegt werden. Wenn die Spenderzahlen in den nächsten Jahren weiter so niedrig bleiben, führt an der Widerspruchslösung kein Weg mehr vorbei.

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