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Politik: Spanien: Niemand weiß, wo die Millionen sind

Als Regierungschef Jose Maria Aznar in Spanien vor fünf Jahren sein Amt antrat, versprach er, mit der Vetternwirtschaft seiner Vorgänger aufzuräumen. Das gelang ihm meistens auch.

Als Regierungschef Jose Maria Aznar in Spanien vor fünf Jahren sein Amt antrat, versprach er, mit der Vetternwirtschaft seiner Vorgänger aufzuräumen. Das gelang ihm meistens auch. Doch jetzt hat die Saubermann-Epoche ein jähes Ende gefunden. Grund ist ein Finanzskandal, in den neben vier Ministerien auch die Börsenaufsicht, die Steuerfahndung und sogar mehrere Diözesen der Kirche verwickelt sind.

Die Hauptdarsteller in dem Skandal sind der Anlageberater Antonio Camacho und der inzwischen zurückgetretene Staatssekretär im Finanzministerium Enrique Gimenez-Reyna. In Camachos Investitions-Firma Gescartera sind fast 212 Millionen Mark spurlos verschwunden, die tausenden von Investoren gehörten. Gimenez-Reyna soll geholfen haben, die Ministerien für Inneres, Finanzen, Wirtschaft und Verteidigung, die spanische Bischofskonferenz, den Waisen-Verband der Guardia Civil und sogar die wohltätige Blindenorganisation Once als Klienten anzulocken. Brisanterweise betreiben die beiden zusammen ein Anwaltsbüro und unterhalten zahlreiche Briefkastenfirmen - ideal für Geldverschiebungen.

Darüber hinaus ist die Präsidentin von Gescartera niemand anderes als Pilar Gimenez-Reyna, die Schwester des Staatssekretärs - und zugleich die Chefin der Börsenaufsicht. Kurioserweise musste sie sich selbst bestrafen, als die Börsenaufsicht im April 1999 den gesamten Vorstand des Bankrott-Betriebs mit einer Geldbuße von 80 000 Mark dafür sanktionierte, dass er die Bilanzen nicht offen legte. Probleme löste das aber nicht aus. Im Gegenteil: Im Februar 2000 bewilligte die Aufsicht, dass Gescartera von einer simplen Investitions-Firma zur seriösen Börsen-Agentur aufstieg, die statt zweimal im Jahr jeden Monat kontrolliert wird. Erst nach 16 Monaten erstattete die Kontroll-Institution im Juni 2001 Anzeige wegen "schweren Unregelmäßigkeiten".

Zu diesem Zeitpunkt war bereits alles zu spät. Der Ruin-Betrieb hatte nur noch 2,2 Millionen Mark. Nach einem Monat Haft sagte Camacho aus, er habe die verschwundenen Millionen über zwei US-Unternehmen in Steuerparadiesen angelegt - und kaum eine Woche später berichtigte er seine Angaben. In Wahrheit habe er das Geld bei Börsenspekulationen verloren. Als die spanische Zeitung "El Mundo" dann noch enthüllte, dass Gescartera bereits 1999 mit über 50 Millionen Mark in der Kreide stand und dies durch gefälschte Bankbelege verschleierte, kam es zum Knall: Camacho gab zu, dass er für 40 Kunden mindestens 70 Millionen Mark Schwarzgeld verwaltet hatte.

Die Oppositionsparteien schlugen Alarm. Nach fast zwei Wochen Hickhack hat die Regierung schließlich eingelenkt und eine parlamentarische Untersuchungskommission angekündigt, die im September beginnen soll. Alle betroffenen Institutionen haben bereits interne Untersuchungen eingeleitet. Erstes Ergebnis der Börsenaufsicht: Sie ist von Gescartera hinters Licht geführt worden. Die Ministerien und die Steuerfahndung können sich bisher nicht erklären, wie es möglich war, dass sie in den Betrieb investierten und dabei nicht das Geringste von den Schwarzgeld-Millionen bemerkten. Die Kirche verlor mindestens 25 Millionen Mark, die für Armenhilfe gedacht waren. Glück hatte nur die Stiftung "Banco de Alimentos" (Nahrungs-Bank), deren Ehrenvorsitz Ana Botella führt, die Ehefrau von Regierungschef Aznar. Ihre Beteiligung war lediglich ein Geschenk Camachos.

Weitere Details wird das Parlament klären. Wie war es möglich, dass der Ex-Vizechef der Börsenaufsicht Geschenke wie eine 25 000 Mark teure Uhr annehmen und gleichzeitig offiziell bestätigen konnte, dass mit Gescartera alles in Ordnung sei? Und politisch weit folgenreicher: Warum haben die Ministerien überhaupt in solche Risiko-Spekulationen investiert?

Andreas Klinger

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