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Politik: Spanier stimmen für EU-Verfassung

Vertragswerk erhält bei Referendum große Mehrheit – aber die Wahlbeteiligung ist gering

Sogar noch am Wahltag bombardierten Spaniens Politiker ihre Bürger mit Appellen an das europäische Gewissen. Denn als größte Gefahr für das erwünschte „Aufbruchssignal“ galt die Gleichgültigkeit der Menschen gegenüber der europäischen Verfassung, über die am Sonntag in Spanien abgestimmt wurde. Am Ende lag die Wahlbeteiligung dann doch nur bei mageren 42,2 Prozent – weniger als bei der Europawahl im Juni 2004. Aber Spaniens Ministerpräsident Jose Luis Rodriguez Zapatero konnte sich am Abend dennoch freuen, als nach dem Referendum die ersten Prognosen veröffentlicht wurden: Laut Wählernachfragen stimmten weit über 70 Prozent Prozent der Teilnehmer mit „Ja“.

„Europa schaut uns zu“, hatte am Sonntagmorgen fast flehentlich Maria Teresa Fernandez de la Vega, Spaniens Vize-Regierungschefin, noch ans Volk appelliert. Und sie bat um „eine große Teilnahme der Bürger“. Ihr Vorgesetzter, der sozialdemokratische Regierungschef Zapatero, erklärte derweil staatstragend: „Wir treffen heute eine Entscheidung von großer Tragweite für das vereinigte Europa“. Doch mit derlei Parolen waren die annähernd 35 Millionen Abstimmungsberechtigten seit Monaten bombardiert worden, ohne dass dies die Wahllaune groß gehoben hätte.

Rund 90 Prozent der Spanier hatten noch kurz vor der Volksabstimmung, der ersten zum neuen EU-Vertragswerk in Europa, geäußert, nur wenig oder nichts über die Verfassung zu wissen. Dabei hat es an Aufklärung weiß Gott nicht gemangelt. Bereits vor Wochen lag allen Tageszeitungen ein Exemplar der Verfassung bei, Radio und Fernsehen überschlugen sich mit Informationen. Doch die Mehrheit der Nation hörte und sah offenbar nicht hin – und viele Spanier blieben am Sonntag zu Hause.

„Wir können Europa nicht ohne Abstimmung der Bürger konstruieren“, verteidigte am Sonntag Kulturministerin Carmen Calvo die Volksabstimmung, die auch in Spanien nicht unumstritten war. Doch Ministerpräsident Zapatero wollte, dass seine Nation in Sachen EU-Referendum „die erste in Europa“ ist. Und dass sie so ihre „Dankbarkeit“ für jene fast 100 Milliarden Euro Netto ausdrücke, die Spanien in den letzten 20 Jahren von der EU geschenkt bekommen habe. Die Spanier dürften nun „nicht die Gelegenheit verpassen, Vorkämpfer zu sein und mit einem massiven Ja die Weichen für alle Europäer zu stellen“, hatte ihr Premier sie beschworen.

Der konservative Oppositionschef Mariano Rajoy, der das geringe Abstimmungsinteresse der Spanier als politische Niederlage für Zapatero interpretierte, nannte das Referendum derweil „überstürzt“. Das konservative Presse-Schlachtschiff „ABC“ assistierte mit der Einschätzung: „Dieses Referendum war nicht notwendig.“ In der Tat hatte die Volksabstimmung in Spanien auch nur rein symbolischen Wert. Denn das nationale Parlament muss die EU-Verfassung später noch ratifizieren.

Ralph Schulze[Madrid]

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