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Andrea Nahles beim politischen Aschermittwoch im nordrhein-westfälischen Schwerte.

© Leon Kügeler/Reuters

SPD-Aschermittwoch in Schwerte: Nahles ruft die Göttinnen-Dämmerung aus

Bei ihrem Auftritt in Schwerte läutet Andrea Nahles die Göttinnen-Dämmerung für Angela Merkel ein – auch wenn die Stimme versagt.

Immerhin, der Zeitplan stimmt. Um kurz vor sieben Uhr abends, so hatten es einem die helfenden Geister im Hintergrund vorher zugerufen, soll Andrea Nahles reden. „Damit sie noch in die Nachrichten kommt“, hatten sie hinzugefügt, denn natürlich wissen sie, dass an diesem Aschermittwoch besonders viele Fernsehsender nach Schwerte schalten wollen, wo sich die Sozialdemokraten des noch immer größten SPD Bezirkes Westliches Westfalen traditionell an diesem Tag treffen. Wenige Minuten vor sieben tritt Andrea Nahles an das Pult, die roten Lampen der Kameras leuchten und sie ruft in den Saal: „Wir sind die europäischste Partei in Deutschland“. Die erste Botschaft ist gesetzt, auch wenn die Stimme der Berliner Fraktionschefin eigentlich Schonung verdient und jeder Arzt ihr vermutlich angeraten hätte, besser Kamillentee zu trinken und ansonsten zu schweigen.

Gut 600 Zuhörer sind gekommen

Unbeeindruckt von diesem Handicap pflügt sie durch ihre Zettelsammlung; wer sie häufiger hört, dem fällt allenfalls auf, dass sie nicht ganz so laut schreit, wie sie es üblicherweise vor Parteigängern oder anderen Auditorien zu tun pflegt. Den Ton haben zuvor die beiden anderen Redner gesetzt. Vor den gut 600 Zuhörern, die allesamt Eintritt für den Abend im Süden von Dortmund bezahlt haben, reden Norbert Römer, der einflussreiche Fraktionschef der SPD in Düsseldorf und NRW Parteichef Michael Groschek. Die beiden hatten im Hintergrund die Strippen gezogen und am Ende dafür gesorgt, dass Martin Schulz das Handtuch wirft; sie hatten ihn am vergangenen Freitag ultimativ aufgefordert, seinen Rückzug bekannt zu geben und gedroht andernfalls um 16 Uhr öffentlich seine Demission zu verlangen.

Auch CDU-Ministerpräsident Laschet wird attackiert

Römer ruft dem zunächst noch verzagt wirkenden Publikum zu, dass man in Nordrhein-Westfalen besichtigen könne, wie eine Regierung ohne SPD Minister arbeite. „Versprochen – gebrochen, das ist Armin Laschet“, keilte er gegen den CDU Ministerpräsidenten, um anschließend für die Koalition in Berlin mit einem dialektischen Kunstgriff zu werben: „Unser Erneuerungsprozess muss mit dem Regierungshandeln verzahnt werden“. Das gelte umso mehr, als die einst mächtigste Frau der Welt erkennbar an Einfluss verloren habe. „Die Ära Merkel geht zu Ende“, macht Römer sich und den Freunden im Saal Mut.

Die Irritationen der vergangenen Tage werden ausgeblendet

Michael Groschek hält sich – anders als Römer – gar nicht mit der eher tristen Gegenwart auf, er malt ein optimistisches Bild der Zukunft, die Irritationen der vergangenen Tage blendet er völlig aus. „Lasst uns die nehmen, die gewinnen“, ruft er in den Saal und verweist auf gewonnene Bürgermeisterwahlen in NRW oder den unerwarteten Sieg von Stefan Weil wenige Wochen nach dem Desaster bei der Bundestagswahl. Seine Rede gipfelt in dem Anspruch, wieder auf 30 Prozent zu kommen, damit niemand gegen die SPD den Kanzler oder die Kanzlerin stellen kann. Er nennt ausdrücklich beide Optionen, damit niemand im Saal eine Präferenz für Nahles oder Scholz erkennen kann. Nur an einer Stelle lobt er ausdrücklich die Berliner Fraktionschefin: „Sie hat es geschafft, Angela Merkel und Horst Seehofer zu quietsche Entchen zu machen“. Zum Abschluss erinnert er an die Zauberformel von Gerhard Schröder – freilich ohne dessen Namen zu erwähnen – von „Innovation und Gerechtigkeit“ als den dafür notwendigen sozialdemokratischen Prinzipien.

Breitseiten gegen den möglichen Koalitionspartner

Andrea Nahles wechselt von ihrer Eingangsbotschaft zu Europa nahtlos in die Innenpolitik und lobt das ausgehandelte Vertragswerk; nicht nur beim Thema Pflege. „Das wäre den anderen …… egal gewesen“, ruft sie in den Saal. Damit setzt sie eine erneute verbale Breitseite gegen den möglichen Koalitionspartner. An gleich mehreren Stellen preist sie den „sozialdemokratisch getränkten Koalitionsvertrag“ – wie Norbert Römer es formuliert hat – und gibt damit unfreiwillig zu Protokoll, wie groß die inhaltliche Dissonanz der künftigen Koalitionäre gegenwärtig ist. Dass sie dabei als eine Art Hüterin sozialdemokratischer Werte aufzutreten gedenkt, lässt sie auch durchblicken: „Ich bleibe auch als Parteivorsitzende dem Kabinett fern“, verspricht sie, bevor die Basis um Unterstützung gebeten wird: „Ich kann das nicht alleine schaffen“. Wer an dieser Stelle erwartete, dass sie auf das an der Basis heftig kritisierte Posten-Geschacher in Berlin eingehen würde, sieht sich enttäuscht. Kein Wort dazu, dafür wieder die Abteilung Attacke: „Die Göttinnen-Dämmerung um Merkel hat begonnen“, ruft sie in den Saal. Am Ende wird dabei nicht klar, ob sie die Menschen oder sich selbst davon überzeugen will.

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