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Der Vorsitzende der SPD-Berlin Jan Stöß mit SPD-Chef Sigmar Gabriel auf dem Bundesparteitag der SPD in Leipzig

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Update

SPD-Bundesparteitag: Delegierte strafen etliche Landeschefs ab

Am Vormittag wurden bereits Olaf Scholz und Generalsekretärin Andrea Nahles mit einem schlechten Wahlergebnis abgestraft. Am Nachmittag eskalierte die Situation dann und viele Bewerber scheiterten im ersten Wahlgang. Darunter auch der Berliner SPD-Chef.

Die Delegierten des SPD-Parteitages in Leipzig haben mit ihrem Führungspersonal abgerechnet. Reihenweise fielen bei den Vorstandswahlen namhafte Funktionäre und Landesvorsitzende im ersten Wahlgang durch. Darunter auch der Berliner SPD-Landeschef Jan Stöß. Aber auch andere wie Ralf Stegner (Schleswig-Holstein), Christoph Matschie (Thüringen), Katrin Budde (Sachsen-Anhalt), Florian Pronold (Bayern), Heiko Maas (Saarland) und Dietmar Woidke (Brandenburg) verfehlten die notwendige Stimmenzahl. Auch Juso-Chef Sascha Vogt und die Linke Hilde Mattheis schafften es nicht im ersten Anlauf. SPD-Chef Sigmar Gabriel intervenierte daraufhin. Im Vorstand müssten Vertreter aus möglichst vielen Landesverbänden sitzen, appellierte er. Der Parteitag wurde unterbrochen. Alle Durchgefallenen traten im zweiten Anlauf noch einmal an. Bis auf Hilde Mattheis schafften sie es dann auch.

Zuvor hatte es bereits Wahlen gegeben. Auch der Posten von Klaus Wowereit wurde neu vergeben. Denn Berlins Regierender Bürgermeister kandidierte nicht mehr als Stellvertretender Vorsitzender der SPD. Seinen Posten nimmt nun ein junger aufstrebender Hesse, Thorsten Schäfer-Gümbel, ein. 2009 wurde er zum Parteivize gewählt. Jetzt ist Schluss.

Klaus Wowereit, hier mit SPD-Chef Sigmar Gabriel, ist nicht mehr Parteivize seiner Partei.
Klaus Wowereit, hier mit SPD-Chef Sigmar Gabriel, ist nicht mehr Parteivize seiner Partei.

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SPD-Chef Sigmar Garbiel würdigte Wowereit als aufrichtigen Sozialdemokraten. Er habe gezeigt, dass ein Aufstieg aus einfachen Verhältnissen möglich sei. "Egal, woher man kommt, kann man sich für richtig und falsch entscheiden. Das hast du eindrucksvoll gezeigt", sagte Gabriel. Er schenkte Wowereit eine Zeichnung, auf der Willy Brandt zu sehen ist - der war schließlich auch mal Regierender Bürgermeister. Wowereit dankte seiner Partei, wünschte seinem Nachfolger "viel Spaß" und warnte ihn schonmal: "Es wird nicht alles rund laufen".

Das weiß Klaus Wowereit, schließlich lief bei ihm bundespolitisch auch nicht alles rund. Denn sein Verzicht auf eine erneute Kandidatur für den Vizeposten ist auch ein schleichender Abschied von Klaus Wowereit von der großen politischen Bühne. Zwar ist noch unklar, ob er sich 2016 noch einmal um das Amt des Regierenden bewerben wird, aber bundespolitisch spielt er mit seinem Rückzug vom Vizeposten keine große Rolle mehr. Dabei hatte er Ambitionen. Noch 2009, nach der verheerenden Wahlniederlage auf Bundesebene, galt Wowereit als starker Mann des linken SPD-Flügels. Doch sein Ansehen schmolz dahin, weil er 2011 zwar wiedergewählt wurde als Regierender, aber nur mit einem mageren Ergebnis und weil ihm das Desaster um den Flughafen BER angelastet wurde. Berlin hat damit weder in der CDU noch in der SPD eine herausgehobene Persönlichkeit in der unmittelbaren Parteispitze.

Vielleicht ist es für Wowereit ja ein Trost, dass sein Nachfolger das beste Ergebnis aller Stellvertreter eingefahren hat. Thorsten Schäfer-Gümbel wurde mit 88,9 Prozent der Delegierten-Stimmen gewählt. Das ist sogar ein besseres Ergebnis als Parteichef Sigmar Gabriel bei seiner Wahl am gestrigen Donnerstag eingefahren hat.

Und vielleicht tröstet es Wowereit ja noch mehr, dass sein bisheriger Großstadtkollege Olaf Scholz, Erster Bürgermeister Hamburgs, bei seiner Wiederwahl von den Delegierten regelrecht abgestraft wurde. Er bekam mit 67,3 Prozent das schlechteste Ergebnis. 2011 erhielt er noch 84,9 Prozent. Möglicherweise nehmen die Delegierten ihm übel, dass er im Wahlkampf auch gegen die Parteispitze gestichelt hatte. Außerdem gilt er als Vertreter eines deutlich wirtschaftsliberalen Kurs. Allerdings kennt sich Scholz mit schlechten Wahlergebnissen in der SPD aus. Als Generalsekretär schaffte er es in der Hochphase rund um die Agenda 2010-Politik nur mit Mühe und Not über 50 Prozent.

Hannelore Kraft bestätigt, Andrea Nahles abgestraft

Als Parteivize wurde auch Hannelore Kraft bestätigt. Allerdings ebenfalls mit einem schlechteren Ergebnis. Bei ihrer letzten Wahl 2011 kam sie noch auf 97,2 Prozent der Stimmen, nun landete sie bei 85,6 Prozent. Mit einem solchen Ergebnis war zu rechnen, da sie ihren Kurs etwas korrigieren musste. Kurz nach der Bundestagswahl trat sie als entschiedene Gegnerin einer großen Koalition auf, jetzt wirbt sie für die Koalitionsverhandlungen mit der Union. Ebenfalls wiedergewählt wurden Manuela Schwesig mit 80,1 Prozent (2011: 82,9 Prozent) und Aydan Özoguz mit 79,9 Prozent (2011: 86,8 Prozent).

Abgestraft für das schlechte Ergebnis bei der Bundestagswahl wurde auch Generalsekretärin Andrea Nahles. 67,2 Prozent der Delegierten stimmten für sie. 2011 kam sie noch auf 73,2 Prozent und 2009 bei ihrer ersten Wahl erreichte sie 69,9 Prozent.

Der vielleicht einzige Held des Tages heißt Martin Schulz. Der Präsident des Europaparlaments hat eine energische und kämpferische Rede gehalten und die Delegierten dankten es ihm. Mit knapp 98 Prozent wurde er wieder zum Europa-Beauftragten der SPD gewählt.

Den Auftakt zum zweiten Tag des SPD-Parteitages in Leipzig machte Frank-Walter Steinmeier. Der SPD-Fraktionschef warb für die Koalitionsverhandlungen mit der Union. "Wir dürfen nie Angst vor der Verantwortung und nie Angst vor dem eignen Versagen haben", sagte er. Er betonte aber auch, dass es keine Koalition um jeden Preis geben werde. "Jeder weiß: Wir sind da längst nicht durch." Als eine Bedingung für eine große Koalition nannte er die doppelte Staatsbürgerschaft und die Abschaffung des Optionszwanges, wonach in Deutschland geborene Kinder von Einwanderern sich im Alter zwischen 18 und 23 Jahren für eine Staatsbürgerschaft entscheiden müssen. "Diese Optionspflicht muss fallen", forderte Steinmeier. Es könne nicht wahr sein, dass 400.000 junge Deutsche, hier geboren, drohten ausgebürgert zu werden, wenn sie die Wurzeln ihrer Eltern nicht aufgeben wollten. Mit "manchen Lebenslügen des Ausländerrechts" müsse Schluss sein.

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