zum Hauptinhalt
Jan Pauls gehört zu den letzten drei Bewerbern, um als Bundestagskandidat in Bitburg (Rheinland-Pfalz) aufgestellt zu werden.

© dpa

SPD-Casting für den Bundestag: "Protest wie bei der AfD ist nicht mein Weg!"

Erstmals sucht eine Partei per Stellenanzeige nach einem Bundestagskandidaten. Der SPD-Kreisverband Bitburg-Prüm kürt demnächst den Sieger. Wir haben mit einem der letzten drei Bewerber gesprochen.

118 Bürger haben sich beworben, aber jetzt sind nur noch drei Kandidaten übrig: Der SPD-Kreisverband Bitburg-Prüm, in Rheinland-Pfalz in der Eifel gelegen, hat sich für einen besonderen Weg entschieden. Da der Wahlkreis seit Jahren von der CDU direkt gewonnen wird, suchten die Sozialdemokraten per Stellenanzeige einen Kandidaten für die Bundestagswahl 2017.

Hinter verschlossenen Türen wurde Runde für Runde gecastet und ausgewählt, am 25. November kürt eine Delegiertenkonferenz den Sieger aus den drei verbliebenen Bewerbern. Mit einem haben wir gesprochen: Jan Pauls, 32 Jahre, verheiratet, Beruf: Maschinenbauingenieur, bis vor kurzem noch Hauptmann im Dienstgrad eines Offiziers bei der Bundeswehr, bei der er zwölf Jahre gedient hat. Er sagt, viele Menschen in Deutschland seien unzufrieden, aber man dürfe nicht nur schimpfen, sondern müsse helfen, an Lösungen zu arbeiten.

Herr Pauls, fanden Sie es nicht merkwürdig, dass eine Partei per Stellenanzeige einen Politiker sucht?

Ganz ehrlich: Ich fand es großartig. Schließlich wird so viel darüber geredet, dass die Politik wieder bürgernäher werden müsse. Aber ich habe mich natürlich auch genau erkundigt, wollte wissen, wie das Verfahren läuft. Es ist ja gar kein Casting, das hört sich so nach Fernsehshow an, es war ein seriöses Auswahlverfahren, das ich immer als respektvoll und verantwortungsvoll gegenüber den Bewerbern von Seiten der Partei erlebt habe.

Wie haben Sie es denn erfahren?

Ich hab es in der Zeitung gelesen, und dann habe ich selbst nachgeforscht, wie das denn laufen soll. Ich war zuletzt Offizier in der Bundeswehr, man lernt dort ja schon auch, was Verantwortung heißt. Und ich hatte mich schon entschlossen, mich nach meinen zwölf Jahren Bundeswehr mehr in die Politik einzubringen. Und dann kam die Stellenanzeige, das war irgendwie Fügung.

Was sind Ihre Motive?

Ich halte unsere repräsentative Demokratie, unser System als solches, für richtig und wertvoll. Aber es gibt Gefahren, die es zerstören könnten, das, was wir für selbstverständlich hielten, ist in Gefahr, zu wanken.

Was meinen Sie genau?

Frieden in Europa zum Beispiel. Wer hätte gedacht, dass wir mehr als 70 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkrieges nicht mehr sicher sein können. Auch die Frage: Ist der Westen wirklich demokratisch würde man nicht mehr so einfach beantworten können, nicht mehr so selbstgewiss, wie noch vor Jahren. Die USA haben jetzt Donald Trump, Frankreich bekommt womöglich Marine Le Pen. Und wir haben die AfD. Das sind doch Alarmsignale.

Nico Steinbach, Vorsitzender des SPD-Kreisverbandes Bitburg-Prüm und Abgeordneter im Landtag von Rheinland-Pfalz, ist der Initiator des Kandidaten-Castings.
Nico Steinbach, Vorsitzender des SPD-Kreisverbandes Bitburg-Prüm und Abgeordneter im Landtag von Rheinland-Pfalz, ist der Initiator des Kandidaten-Castings.

© dpa

Die AfD hat viele Nichtwähler mobilisiert, insofern hat sie doch ein demokratisches Recht gestärkt.

Das ist richtig. Und ich kann auch nachvollziehen, dass Menschen die AfD wählen. Da laufen auch nicht nur Rechtsextremisten herum. Im Gegenteil: Die Stigmatisierung der Wähler hat der Partei sicher geholfen, stärker zu werden. Aber AfD , dieser Protest, dieser Furor gegen 'die da oben', die Wut, die Kompromisslosigkeit - das alles ist nicht mein Weg. Ich fühle mich bei den Sozialdemokraten gut aufgehoben.

Was ist in den etablierten Parteien denn besser als in der AfD?

Die AfD verletzt den kleinstmöglichen Nenner, ihre Wähler sind vielleicht verletzt, aber die AfD verletzt selbst. Sie will die Gesellschaft nicht einen, aber die SPD, und ich denke auch die anderen Parteien, wollen das schon. Ich würde sehr gerne über Grundregeln unseres Miteinanders sprechen und mit Menschen diskutieren.

Warum sind Sie nicht schon früher in die Partei gegangen?

Ich hatte keinen Bezug. Als Schüler war ich politisch interessiert, aber nicht parteipolitisch. Ich habe aber immer versucht, Verantwortung zu übernehmen, auch als Kapitän meiner Fußballmannschaft. Und zuletzt eben bei der Bundeswehr. Wenn man sich zwölf Jahre verpflichtet, dann ist es ohnehin schwer, nebenher Parteipolitik zu machen. Und ich finde es ja jetzt gerade gut, dass man als Quereinsteiger die Chance bekommt, auch gleich Verantwortung übernehmen zu dürfen, ohne von ganz unten anfangen zu müssen.

Und was, wenn Sie gar nicht gewinnen?

Dann werde ich überlegen, wie ich anders Parteiarbeit machen kann. Aber egal, wie das Verfahren ausgeht, es war ein großer Gewinn für mich.

Der Tagesspiegel kooperiert mit dem Umfrageinstitut Civey. Wenn Sie sich registrieren, tragen Sie zu besseren Ergebnissen bei. Mehr Informationen hier.

Empfohlener redaktioneller Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen von unseren Redakteuren ausgewählten, externen Inhalt, der den Artikel für Sie mit zusätzlichen Informationen anreichert. Sie können sich hier den externen Inhalt mit einem Klick anzeigen lassen oder wieder ausblenden.

Ich bin damit einverstanden, dass mir der externe Inhalt angezeigt wird. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr Informationen dazu erhalten Sie in den Datenschutz-Einstellungen. Diese finden Sie ganz unten auf unserer Seite im Footer, sodass Sie Ihre Einstellungen jederzeit verwalten oder widerrufen können.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false