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Frohlockt. FDP-Chef Christian Lindner.

© dpa

SPD, CDU, Grüne, FDP, Linke, AfD: Bremen: Was das Ergebnis für die Bundespolitik bedeutet

Das Ergebnis in Bremen bedeutet bundespolitisch keinen Rückenwind für Rot-Grün, auch die CDU hat wenig Grund zur Freude. Nur die FDP frohlockt. Wie sind die Aussichten der Parteien für Wahlen in den Ländern und im Bund?

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Die Signalwirkung der Bremen-Wahl für die Entwicklung im Bund hält sich in Grenzen, völlig folgenlos ist der Ausgang der letzten Landtagswahl in diesem Jahr aber nicht. Vor allem FDP und Linke gehen gestärkt aus der Abstimmung im kleinsten Bundesland hervor. Auch der AfD dürfte der (nach Hamburg) zweite – wenn auch knapp erzielte – Erfolg in einem westdeutschen Bundesland Mut machen. In den Berliner Parteizentralen von SPD und Grünen kam am Wahlabend dagegen wenig Freude auf. Rot-Grün in Bremen kann wohl nur mit knapper Mehrheit weiterregieren – Rückenwind fühlt sich anders an. Auch die CDU hat wenig Grund zum Jubel, liefert ihr mageres Ergebnis in der Hansestadt doch einen weiteren Beleg für ihre strukturelle Schwäche in Großstädten.

Die größte Bedeutung für die Machtverhältnisse im Bund dürfte das Ergebnis der FDP haben. Als großer Wahlsieger unter den Kleinen steht FDP-Chef Christian Lindner schon kurz nach 18 Uhr vor den Kameras im Berliner Thomas-Dehler- Haus. Mehr als sechs Prozent in den Prognosen – der Wiedereinzug in die Bremer Bürgerschaft, der Erfolg in der Hansestadt sollte nicht nur mit dem Gesicht der jungen Spitzenkandidatin Lencke Steiner verbunden sein, sondern auch mit Lindner.

Nach schwierigen anderthalb Jahren, nach der Abwahl aus dem Bundestag wollen Lindner und seine Freunde das Signal setzen: Die Freien Demokraten sind wieder da, ihr neuer Vorsitzender hat es geschafft. Nach der Wahl in Hamburg im Februar ist es der zweite Triumph für die neue Lindner-FDP, nachdem die drei Ost-Wahlen im vorigen Herbst noch zum Debakel geraten waren.

„Hamburg war kein Zufallsergebnis“, sagt Lindner, und es klingt fast erleichtert. „Eine gewisse Aufbruchstimmung“ konstatiert er vorsichtig, eine „Richtungsanzeige für die FDP bundesweit“, wenn auch noch nicht das „Comeback“. Klar ist aber: Die Liberalen können nun etwas mutiger in die wichtige Landtagswahl in Baden-Württemberg im kommenden Frühjahr gehen, ihrer traditionellen Hochburg, wo sich dann erst wirklich zeigt, wie es um die Chancen der Liberalen im Bundestagswahljahr 2017 stehen wird.

Vom Aufwind der FDP könnte auch die Union profitieren

Vom Aufwind der FDP könnte auch die Union profitieren. Gewinnt die FDP wieder an Kraft, ergibt sich für die nächste Bundestagswahl eine Option mehr. Das magere Ergebnis selbst wird schnell abgehakt. Bremen war nie ein gutes „Terrain“ für die CDU. Nun hat sie ein bisschen hinzugewonnen, zumindest bei den Stimmenprozenten – das muss reichen. Generalsekretär Peter Tauber geht am Abend flugs zum Angriff über, wertet die Verluste für SPD und Grüne ganz grundsätzlich als „schallende Ohrfeige und Misstrauensvotum für Rot-Grün“.

Für die Sozialdemokraten um Parteichef Sigmar Gabriel ist das Bremer Ergebnis in der Tat schmerzhaft, auch wenn bundespolitische Beweggründe bei der Wahl an der Weser nach ersten Analysen der Wahlforscher nur eine geringe Rolle spielten. Doch der Sieg in der Hansestadt war bereits eingepreist, nun müssen die Genossen wegstecken, dass sie in einer ihrer Hochburgen das schlechteste Wahlergebnis seit 1945 eingefahren haben – eine riesige Enttäuschung. Manche im Willy- Brandt-Haus ahnen an diesem Abend, wie schwer die kommenden Landtagswahlen für die Partei werden können. Denn 2016 muss Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) in Rheinland-Pfalz die Macht gegen CDU-Frau Julia Klöckner verteidigen. Spitzengenossen sagen ein knappes Rennen voraus: „Das wird die Mutter aller Schlachten.“ Und dann ist da noch die Wahl in Baden-Württemberg, wo die SPD zwischen den Grünen des volkstümelnden Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann und einer nach wie vor starken CDU zerrieben zu werden droht. Die Grünen wiederum haben nach der Bremen-Wahl Grund zur Sorge, dass sie die Stimmzuwächse in den Ländern nach der Fukushima-Katastrophe auf Dauer nicht werden halten können.

„Sensationell“, „grandios“, „Riesenerfolg“ – die ersten Reaktionen von Linke-Bundespolitikern auf das Abschneiden der Genossen in Bremen deuteten auf Feierstimmung pur hin. „Wir können den Genossen nur gratulieren“, sagt der Bundesvorsitzende Bernd Riexinger. In der Tat hat die Linke besonders bei der jungen Generation überdurchschnittlich gut abgeschnitten – was im Bundestrend nicht überall so ist. Trotzdem: Das linke Lager insgesamt wurde am Sonntag geschwächt. Eine rot-rot-grüne Koalition nach gescheiterten Anläufen etwa in Hessen und im Saarland wird es voraussichtlich auch in Bremen nicht geben – obwohl sich die Linke einen solchen Test in einem westdeutschen Bundesland seit Jahren herbeiwünscht. Riexinger aber wagt am Abend nicht zu träumen. Kurzfristig werde es „keine Verhandlungen über eventuelle Koalitionsmöglichkeiten“ geben, sagt er.

Für die rechtspopulistische AfD wachsen die Bäume nicht mehr automatisch in den Himmel. Der anhaltende Führungsstreit, Debatten sogar über das Verhältnis zur NPD: Das Bremen-Resultat zeigt, dass Erfolge auch wieder verspielt werden können. Im vergangenen Jahr hatten das gute Abschneiden sowohl bei der Europawahl als auch bei den Landtagswahlen in Sachsen, Thüringen und Brandenburg es danach aussehen lassen, dass die AfD von 2017 an auch im Bundestag vertreten sein wird. Das wird immer fraglicher. Vorerst muss sich die AfD mit neuen Gerüchten auseinandersetzen: Angeblich plant Parteichef Bernd Lucke seinen Austritt und die Gründung einer neuen Partei. Was Konrad Adam, der das Gerücht in die Welt gesetzt hat, dem Tagesspiegel dazu sagte, lesen Sie hier.

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