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Wer bringt die Rose wieder zum Blühen? Die SPD ringt mit sich um neue Antworten.

© Julian Stratenschulte/dpa

SPD-Debattencamp: Grüße von der Rückseite des Mondes

Je schlimmer es bei Wahlen und Umfragen kommt, umso mehr klammert man sich in der SPD an alte Gewissheiten. Und genau das ist das Problem. Ein Kommentar.

Von Hans Monath

Es ist ein verwegener Anspruch. Mit einem hypermodernen "Debattencamp" will ausgerechnet die SPD neue Wege, neue Thesen und neue Anhänger finden. Jene Partei also, deren Personal, Sprache und Politikstil gerade besonders verbraucht wirkt, nicht nur im Vergleich zu den Grünen. Eine "große Innovationsmesse" hat SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil angekündigt. Auf dem Treffen am Samstag und Sonntag soll auf Dutzenden Bühnen und in verschiedensten Formaten wild und frei diskutiert werden.

Das ist auch dringend nötig. Seit dem Desaster bei der Bundestagswahl im vergangenen Jahr läuft der Prozess der Selbstfindung. Damals hieß es: Es gibt keine Tabus, alles soll hinterfragt werden, jeder Vorschlag ist willkommen. Doch bislang hat dieser Prozess der „Erneuerung“ keine neue Idee hervorgebracht – jedenfalls keine, die so faszinierend gewesen wäre, dass sie Spuren hinterlassen hätte. Oder erinnert sich jemand an irgendeine von der SPD angestoßene Debatte, die das Feuilleton umgetrieben und den politischen Diskurs bestimmt hätte?

Ja, es gab das Rententhema. Andrea Nahles und Olaf Scholz machten kurz Schlagzeilen mit dem Versprechen, das Rentenniveau bis 2040 zu garantieren. Nun bereitet die SPD den Abschied von Hartz IV in seiner heutigen Form vor. Aber genügt das? Innovativ geht anders.

Die sozialdemokratische Erneuerungsdebatte war bisher ein oft selbstzerfleischendes Gespräch zwischen Genossen, aber nicht ein Gespräch der SPD mit der Gesellschaft und umgekehrt. Von außen gesehen ist die Landschaft neuer Ideen in der SPD in etwa so lebensfreundlich wie die erdabgewandte Seite des Mondes.

Umso mehr fällt auf, wie unerbittlich die SPD umgeht mit Genossen, die sich nicht lange bitten lassen, sondern auf eigene Rechnung analysieren und Konzepte entwerfen. Nils Heisterhagen etwa, vormals Referent in der Landtagsfraktion in Rheinland-Pfalz, ist mit seinem Buch "Die liberale Illusion" fast zu einem Medienstar geworden, gibt ein Interview nach dem anderen. Der Autor plädiert für einen Abschied der SPD von den Identitätsthemen, stärkere Regulierung von Migration und eine linke Wende bei sozialökonomischen Fragen. Heisterhagen wurde zum Dank aus seinem Job gedrängt.

Dass es mit der Toleranz nicht so weit her ist, wie die Partei gerne behauptet, zeigt auch der Druck, dem Autoren der Friedrich-Ebert-Stiftung ausgesetzt sind, wenn sie Parteimythen auf ihren Realitätsgehalt abklopfen. Die Talfahrt der SPD in Umfragen macht den Kopf offenbar nicht frei, im Gegenteil: Je schlimmer es kommt, umso mehr klammert man sich an alte Gewissheiten.

Kann ein "Debattencamp" solche Mechanismen durchbrechen? Daran müssen nicht nur Sozialdemokraten ein massives Interesse haben. Denn ohne große Ideen kann die SPD Menschen mit viel und mit wenig Geld, Regionalisten und Weltoffene, Hauptschüler und Professoren nicht wieder zusammenbringen. So groß der politische „Sexappeal“ der Grünen gerade sein mag – diese Integrationsleistung kann nur eine funktionierende Volkspartei vollbringen. Die SPD, sie muss sich von ihren Zwängen befreien, um wieder groß werden zu können.

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