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SPD: Die Not der Job-Retter

Die Sozialdemokraten müssen drei Monate vor der Wahl neu nachdenken, wie sie noch gewinnen wollen.

Von Hans Monath

Berlin - Ein Parteichef, der den Wählern indirekt mangelnde Solidarität vorwirft, weil sie die Rettungsbemühungen der SPD bei Opel und Arcandor nicht honoriert haben. Ein Kandidat, der sich nach der Niederlage bei der Europawahl am Wirtschaftsminister abarbeitet statt an der Kanzlerin. Dazu verheerende Umfragewerte und eine depressionsgefährdete Parteibasis: Das sind die Vorzeichen, unter denen die SPD an diesem Sonntag im Berliner Estrel-Hotel zu ihrem Bundesparteitag zusammenkommt, um sich dreieinhalb Monate vor der Bundestagswahl selber Mut zu machen.

Im Mittelpunkt der sechsstündigen Parteiversammlung wird Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier stehen. In verzweifelter Lage soll er die mehr als 500 Delegierten für den Wahlkampf motivieren. Der Vizekanzler, der im demoskopischen Direktvergleich mit Angela Merkel immer weiter ins Hintertreffen gerät, muss große Erwartungen erfüllen.

Spannend wird vor allem, welche Schlüsse er in seiner Rede aus dem Kommunikationsdebakel der SPD im Streit um die Rettung von Arcandor zieht. Der laute Ruf von Parteichef Franz Müntefering nach Staatshilfen für den bedrohten Handelskonzern wurde bis in die SPD-Kernwählerschaft hinein als Aufforderung zur Geldverschwendung missbilligt. Weil der Parteichef anders als Steinmeier nicht zuallererst die Eigentümer der Firma in die Pflicht nahm, diskreditierte er nach Meinung vieler Sozialdemokraten den gesamten Ansatz der SPD zur Rettung von Arbeitsplätzen. Viele Bürger beschlich der Verdacht, es gehe den Sozialdemokraten weniger um Jobs als um ihr eigenes Wahlergebnis.

Mit Münteferings Vorgehen rund um den Wahltermin sind viele Sozialdemokraten unzufrieden. Anstoß nehmen sie an einem Interview, in dem der Vorsitzende den Eindruck erweckte, als seien all jene Bürger unsolidarisch, die Staatshilfen für Unternehmen kritisch gegenüberstehen. Eine derartige Interpretation der Europawahl grenze an Wählerbeschimpfung.

Die Härte, mit der Müntefering trotz einer erkennbar fehlgeschlagenen Kampagne des Willy-Brandt-Hauses den Kurs verteidigt, lässt in der SPD einen alten Vorwurf neu aufleben. Müntefering tendiere in Krisenzeiten dazu, sich in Positionen einzubunkern. Das Wort vom „Betonsozi“ macht wieder die Runde. Gelitten hat auch Münteferings Nimbus als begnadeter Wahlkampfstratege.

Wie weiter, SPD? Müntefering und Steinmeier haben nun eine härtere Gangart gegenüber Union und FDP angekündigt. Doch auch die Zuspitzung birgt Gefahren: Gerade wenn der Herausforderer kritisch mit Merkel ins Gericht geht, könnte die Kanzlerin profitieren. Solange Merkel als Regierungschefin gleichsam präsidial über dem Parteingezänk schwebt, erscheint die SPD als „Meckerpartei“, die alles schlechtmacht, um selber besser dazustehen.

Wie weiter im Wahlkampf? Lässt sich die Grundbotschaft von der Jobrettungspartei SPD überhaupt noch halten? Die Antworten der Flügel und Strömungen in der SPD lautet: Es geht, aber nicht so wie bisher. Klaas Hübner, Sprecher des rechten SPD-Flügels, rät zu mehr Augenmaß in der Debatte um Staatshilfen. „Wir müssen weiter um jeden Arbeitsplatz kämpfen. Es darf aber nicht der Eindruck entstehen, dass die SPD jedes Unternehmen um jeden Preis rettet.“ Außerdem plädiert Hübner dafür, die Haushaltskonsolidierung nicht aus den Augen zu verlieren: „Die Menschen haben ein feines Gespür dafür, was der Staat finanziell leisten kann und was nicht.“

Ähnlich argumentiert die Sprecherin des pragmatischen SPD-„Netzwerks“, Nina Hauer. „Wir haben die Schuldenbremse bei der Föderalismusreform II durchgesetzt, weil wir wissen, dass der seriöse Umgang mit Staatsgeldern unerlässlich ist und weil wir der nächsten Generation auch noch Handlungsspielraum lassen müssen. Das sollten wir im Wahlkampf deutlicher machen.“

SPD-Vizechefin Andrea Nahles spricht sich dafür aus, „im Wahlkampf nicht über mögliche Koalitionen zu reden, sondern für eine starke SPD zu streiten“. Dabei müsse ihre Partei „die eigenen Botschaften in den Mittelpunkt stellen“ und sich auf „ihre Kernbereiche konzentrieren“, fordert die SPD-Linke. „Der Kampf um Arbeits- und Ausbildungsplätze muss für uns zentral sein.“ Es müsse klar werden, dass am 27. September eine Richtungswahl anstehe: „Stärken wir die soziale Marktwirtschaft oder fallen wir wieder zurück in das System, das die Krise herbeigeführt hat?“

Eine Kontroverse über die Wahlkampfstrategie wird auf dem Parteitag aber nicht ausgetragen werden. Das kann sich die SPD in ihrer Lage nicht mehr leisten. „Wir brauchen keine Regieanweisung, um Steinmeier am Sonntag zu feiern“, sagt ein Sozialdemokrat.

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