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SPD diskutiert über Oslo: Gabriel, Sarrazin und eine Schulddebatte

In einem Interview hat SPD-Chef Sigmar Gabriel die Attentate von Oslo in Verbindung mit einer fremdenfeindlichen Stimmung in Europa gebracht. Und dabei Thilo Sarrazin namentlich erwähnt. Jetzt gibt es deshalb Streit in der Partei.

Von Matthias Meisner

Berlin - SPD-Chef Sigmar Gabriel ist unterwegs beim Sommercamp der sozialdemokratischen Jugendorganisationen der Welt in Weißenbach am Attersee in Österreich. Sein Parteigenosse Thilo Sarrazin, Buchautor und Provokateur, ist in Australien, nach Auskunft seiner Frau auf Vortragsreise. Gibt es einen Zusammenhang?

Nun, immerhin den: Am Attersee gab Gabriel der Nachrichtenagentur dpa ein Interview, in dem er die Attentate von Oslo in Verbindung brachte mit einer fremdenfeindlichen und nationalen Stimmung in Europa. Und dabei Thilo Sarrazin namentlich erwähnte: „In einer Gesellschaft, in der Anti-Islamismus und Abgrenzung von anderen wieder hoffähig wird, in der das Bürgertum Herrn Sarrazin applaudiert, da gibt es natürlich auch an den Rändern der Gesellschaft Verrückte, die sich letztlich legitimiert fühlen, härtere Maßnahmen anzuwenden.“ Attentäter wie Anders Behring Breivik hätten dann den Eindruck, der schweigenden Mehrheit zum Durchbruch zu verhelfen: „Das ist ja deren Wahnvorstellung.“

Dass Gabriel diesen Zusammenhang herstellt, dürfte Sarrazin kaum gefallen. Anderen in der SPD aber auch nicht. Der innenpolitische Sprecher der Bundestagsfraktion, Dieter Wiefelspütz, sagte am Donnerstag dem Tagesspiegel: „Für seine Analyse ist alleine Herr Gabriel verantwortlich. Ich würde so weit nicht gehen. Alles wird mit allem verrührt. Es fehlt dann an der Präzision der Analyse.“ Wiefelspütz will nicht falsch verstanden werden als Fan von Sarrazin. Er hält ihn, wie er sagt, für „borniert, statistikgläubig, herzlos und zynisch“. Gabriels Hinweis aber sei „nicht hilfreich“, im Gegenteil: „Sarrazin auch nur im Nebensatz in Verbindung zu bringen mit Norwegen, finde ich unangemessen.“ Die „Bild“-Zeitung fragte: „Was hat Sarrazin mit der Killer- Bestie von Oslo zu tun, Herr Gabriel?“ Vertriebenenpräsidentin Erika Steinbach (CDU) kritisierte: „Sigmar Gabriel missbraucht auf beschämende Weise die norwegische Tragödie für platte Revanche an seinem Genossen Thilo Sarrazin.“ Tags darauf dann behauptete der SPD-Chef, er habe den Zusammenhang zwischen Oslo und der Sarrazin-Debatte nie herstellen wollen, es gebe ihn „natürlich nicht“.

Die innenpolitische Sprecherin der Linksfraktion, Ulla Jelpke, münzte die Diskussion auf ihre Weise um. In einem Gastkommentar für die „Junge Welt“ schrieb sie, wie sehr antimuslimische Ressentiments in der Mitte der Gesellschaft angekommen seien, zeige sich „auch darin, dass die SPD ihren Rassetheoretiker Thilo Sarrazin weiterhin in ihren Reihen duldet, obwohl – oder weil? – er die pauschale Diffamierung ,des Orientalen’ (Sarrazin) betreibt“. Matthias Meisner

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