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SPD: Doch kein Kampf um Rot

Die SPD-Spitze stellt sich in der Frage des Umgangs mit der Linken demonstrativ hinter Parteichef Beck. Doch die innerparteilichen Attacken haben Spuren hinterlassen.

Die SPD-Führung ist dieser Tage anfällig für Krankheiten aller Art. Nach Kurt Beck, der seit inzwischen mehr als einer Woche an einer eitrigen Kehlkopfentzündung leidet und im heimischen Steinfeld bleiben muss, fallen am Montag auch SPD-Generalsekretär Hubertus Heil und Präsidiumsmitglied Christoph Matschie aus. Heil wegen einer kleineren Operation, Matschie wegen Grippe.

Es ist SPD-Vize Andrea Nahles, die sich nach dreistündiger Debatte des Parteirats im Willy-Brandt-Haus als Erste vor die Kameras stellt. Die Genugtuung ist ihr anzusehen: Mit „großer Einmütigkeit und Geschlossenheit“ hat sich der Parteirat, „das höchste Gremium der SPD zwischen den Parteitagen“, hinter den Vorstandsbeschluss gestellt, der in der letzten Woche eine heftige Diskussion um Parteichef Kurt Beck ausgelöst hatte. Nur 2 von 80 Teilnehmern hätten gegen den Beschluss des Vorstands gestimmt, verkündet Nahles. Die innerparteilichen Attacken gegen den erkrankten Beck seien kritisiert worden. Mit Blick auf ihre Amtskollegen Peer Steinbrück und Frank-Walter Steinmeier sagt sie: „Die Kritik der Parteibasis ist bei allen Stellvertretern angekommen.“

Frank-Walter Steinmeier und Peer Steinbrück, die anderen stellvertretenden SPD-Vorsitzenden, sind nicht krank an diesem Montag. Er müsse die Erwartungen enttäuschen, „dass die SPD in Sack und Asche geht“, sagt Steinmeier, der Beck in der Sitzung und bei der anschließenden Pressekonferenz vertritt. Er fügt hinzu: „Auch wenn die mediale Selbstdarstellung alles andere als wünschenswert war.“

Die öffentliche Erwartung war tatsächlich auf eine Krisensitzung eingestellt. Denn noch schlechter als um die körperliche Verfassung mancher Sozialdemokraten war es in der vergangenen Woche um den Seelenzustand der gesamten SPD bestellt. Seit Beck einen Vorstandsbeschluss durchgesetzt hat, der den Landesverbänden im Allgemeinen und der Hessen-SPD im Besonderen freie Hand für Kooperationen mit der Linkspartei lässt, schlagen die innerparteilichen Wellen hoch. Vor allem Steinbrücks tagelang wiederholte Warnung vor einer Zusammenarbeit mit der Linken in Hessen ist in Teilen der Partei als Angriff gegen Beck und als Kampagne gegen eine mögliche Kanzlerkandidatur des Pfälzers wahrgenommen worden. Am Wochenende hatte der „Spiegel“ dann eine Meldung auf den Markt gebracht, der die Argwöhnischen zu bestätigen schien: Danach soll es eine Übereinkunft von Steinbrück mit Vizekanzler Steinmeier und den Ex-SPD-Vorsitzenden Matthias Platzeck und Franz Müntefering geben, Beck als Kanzlerkandidaten zu verhindern.

Steinmeier hat die angebliche Verschwörung bereits auf dem Rückflug aus Vietnam als „Unsinn“ abgetan. Aber dass er derzeit die einzige Alternative zu einem Kanzlerkandidaten Beck ist, das kann er nicht dementieren. Wahr ist auch, dass es unter den SPD-Bundesministern und in der SPD-Bundestagsfraktion erhebliche Vorbehalte gegen Beck gibt. Es ist also kein einfacher Auftritt für den Parteivize Steinmeier. Geht er auf Distanz zu Becks vorsichtiger Öffnung in Richtung Linkspartei, setzt er sich dem Vorwurf der Illoyalität aus. Verbirgt er seine Skepsis, geht das auf Kosten der Glaubwürdigkeit.

Schon im Vorfeld der Beratungen haben Vertreter der Parteilinken die Loyalität der beiden Stellvertreter deutlich angemahnt. „Es kann nicht sein, dass, wenn der Parteichef krank ist, seine Stellvertreter nicht seine Position vertreten“, sagte Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit vor der Sitzung. Er kritisierte, „dass die, die erst zustimmen, später so tun, als hätten sie nicht zugestimmt“. Gemeint: vor allem Steinbrück. Zu den Spekulationen über die Kanzlerkandidatur sagte Wowereit: „Wir haben keine Diskussion über eine Kanzlerkandidatur.“ Wowereit trifft die Stimmung im Parteirat. Parteiratschef Klaus Möller sagt nach der Diskussion dezent: „Der Name Steinbrück ist auch gefallen ...“ Und: „Steinbrück hat sich im Parteirat nicht geäußert.“

Steinmeier, der sich öffentlich mit Kritik zurückgehalten hatte, warb am Montag für eine „faire Interpretation“ des Beschlusses. Für den Bund bleibe eine Zusammenarbeit mit der Linkspartei ausgeschlossen. Er bleibe für Hessen skeptisch, sagte Steinmeier. Er vertraue aber darauf, dass andere Alternativen ausgelotet werden. Das habe Andrea Ypsilanti zugesichert.

Rund 30 Genossen haben sich an der Diskussion beteiligt, und fast alle stärkten Beck den Rücken, wie Teilnehmer berichten. Viele Parteiratsmitglieder mahnen eine stärkere Geschlossenheit der Parteiführung an. Selbst Klaas Hübner, Sprecher des konservativen „Seeheimer Kreises“ der SPD, verwies vor den Beratungen auf Becks feste Position an der SPD-Spitze. Eine Personaldebatte innerhalb der Partei gebe es nicht.

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