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Politik: SPD fordert Solidarität von den Grünen

Der Streit um Münteferings Kapitalismuskritik trübt das Klima in der Koalition

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Berlin - Regierungskritische Forderungen aus der SPD, Scharmützel in der Koalition: Die von SPD-Chef Franz Müntefering losgetretene Kapitalismus-Debatte setzt bei Sozialdemokraten und Grünen offenbar Fliehkräfte frei. Während der kleine Koalitionspartner zwischen Zustimmung und Ablehnung schwankt, werden in der SPD die Rufe nach konkreten Folgen auf die Politik von Bundeskanzler Gerhard Schröder lauter. So sprechen sich die SPD-Landesvorsitzenden Heiko Maas (Saarland), und Wolfgang Jüttner (Niedersachsen) dafür aus, die von der Koalition eingeführte Steuerfreiheit von Veräußerungsgewinnen bei Unternehmensverkäufen rückgängig zu machen.

Maas mahnte in der „Leipziger Volkszeitung“ Konsequenzen aus der Kapitalismusdebatte im praktischen Regierungshandeln an. Die Rücknahme der Steuerfreiheit wäre ein sinnvoller Punkt. Jüttner sagte dem Tagesspiegel, die Rücknahme habe „viel Plausibilität für sich“. DGB-Vize Ursula Engelen-Kefer rief die Bundesregierung dazu auf, „diese und andere ungerechtfertigte Subventionen im Rahmen der Unternehmensbesteuerung zu überprüfen“.

Die Differenzen zwischen SPD und Grünen über Form und Inhalt der Kapitalismusdebatte trüben unterdessen das Koalitionsklima. SPD-Fraktionsvize Michael Müller attackierte die Grünen-Fraktionsvorsitzende Katrin Göring-Eckardt, weil diese sich von Münteferings Kapitalismuskritik distanziert hatte. „Frau Göring-Eckardt muss sich die Frage stellen, ob Solidarität für die Grünen eine Einbahnstraße ist“, sagte er dem Tagesspiegel mit Blick auf die Visa-Affäre. „Wenn die SPD Fischer stützt, erwarten wir auch Unterstützung von den Grünen für eine notwendige Diskussion.“ An Grünen-Chef Reinhard Bütikofer appellierte Müller, für „Klarheit im eigenen Laden“ zu sorgen. Der Thüringer SPD-Chef Christoph Matschie kritisierte die „Absetzbewegungen der Grünen“ als „nicht hilfreich für die Koalition“.

Noch deutlicher als Göring-Eckardt formulierte der Chef der Grünen-Fraktion im Stuttgarter Landtag, Winfried Kretschmann, die Vorbehalte gegen die SPD-Kampagne. Münteferings Vorstoß sei „völlig nutzlos und gefährlich“, sagte er dem Tagesspiegel. Durch die nationalen, antikapitalistische Töne würden „Erwartungen geweckt, die man nicht einlösen kann“. Dagegen begrüßte der Staatssekretär im Wirtschaftsministerium, Rezzo Schlauch (Grüne), die Debatte als „notwendig und richtig“. Die Reaktion der Wirtschaftsvertreter auf die Vorwürfe sei „arg mimosenhaft“, sagte der Mittelstandsbeauftragte der Bundesregierung. Wer zwei Jahre lang „mit allen Mitteln auf die rot-grüne Regierungspolitik einprügelt“, müsse sich in der Debatte über die Verantwortung der Wirtschaft auch einen deutlichen Ton gefallen lassen. Direkte Kritik an Münteferings „Heuschrecken“-Metapher vermied Schlauch. Zugleich nannte er es aber „absolut notwendig“, dass genauer differenziert werde, als dies zu Anfang der Debatte geschehen sei. „Die weit überwiegende Mehrzahl der mittelständischen Unternehmen in Deutschland nimmt ihre soziale Verantwortung sehr ernst“, sagte er. Die Linie des SPD-Chefs verteidigte Schlauch: „Für den Kernvorwurf, wonach durch das gezielte Ausschlachten von Unternehmen durch manche Investmentgesellschaften Arbeitsplätze bedroht sind, kenne ich viele Beispiele.“

Nach Darstellung der Unionsfraktion hat die Bundesregierung im Laufe ihrer Amtszeit Geschäfte mit Investmentbanken und Beteiligungsgesellschaften in Höhe von insgesamt 40,8 Milliarden Euro abgeschlossen. Das geht aus einer Aufstellung des Haushaltsexperten Steffen Kampeter hervor. Danach wurden etwa Forderungen aus dem Umschuldungsabkommen mit Russland (Volumen: 5 Milliarden Euro) unter anderem an Goldman Sachs verkauft. Die amerikanische Investmentbank wird in der so genannten Heuschreckenliste der SPD- Fraktion als Negativ-Beispiel eines internationalen Investors aufgeführt.

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