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Politik: SPD-Fraktion ärgert Clement

Ausbildungsabgabe soll auch gegen das Votum des Ministers kommen/ Führung warnt vor „Zerlegungsprozess“

Berlin (Tsp). Die Koalitionsfraktionen sind fest entschlossen, eine Ausbildungsabgabe auch gegen den Willen von Wirtschaftsminister Wolfgang Clement (SPD) durchzusetzen. Nach Tagen heftiger Auseinandersetzungen um den Reformkurs und Personalspekulationen sind Bundesregierung und SPDBundestagsfraktion jedoch darum bemüht, die Wogen zu glätten. „Das Kabinett arbeitet diszipliniert“, sagte ein Regierungssprecher. Der drohende Konflikt zwischen Clement und dem designierten SPD-Vorsitzenden Franz Müntefering um die Ausbildungsumlage wurde in der Fraktion demonstrativ heruntergespielt.

Dennoch erklärten die Fraktionen von SPD und Grünen am selben Tag, der Gesetzentwurf für die Ausbildungsabgabe werde spätestens im März fertig sein. Die letzten Fragen würden in dieser Woche geklärt, sagte die Grünen-Abgeordnete Gritje Bettin dem Tagesspiegel. Während es in Clements Umgebung hieß, seine Ablehnung der Ausbildungsumlage bleibe unverändert, wiesen Abgeordnete darauf hin, dass dies nicht zwangsläufig zu einer erneuten Zuspitzung des Streits mit der Fraktion führen werde. „Clements Position ist längst bekannt.“

Weder die Kritik von Kanzler Gerhard Schröder an der Arbeit der Minister noch der Wechsel an der SPD-Parteispitze habe in der Sitzung des Kabinetts am Mittwoch eine Rolle gespielt, verlautete aus der Regierung. In der SPD-Fraktionsführung hieß es am Mittwoch, Partei und Bundesregierung müssten nun zur Sacharbeit zurückkehren und dürften die Öffentlichkeit nicht zum Zeugen eines „Zerlegungsprozesses“ der Partei machen. In den vergangenen Tagen war es wiederholt zu Rufen nach einer Kabinettsumbildung sowie zu einem Streit über den Reformkurs der Regierung gekommen. Clement hatte nicht dementiert, dass er sich möglicherweise mittelfristig aus der Parteispitze zurückziehen könne. Mehrere SPD-Mitglieder hatten Schröder aufgefordert, Minister auszutauschen. Derlei Gerede, hieß es am Mittwoch in der Fraktion, trage nicht dazu bei, dass sich „die neue Statik von Regierung und Parteiführung einpendelt“.

Mit deutlichen Worten hatte sich der Kanzler bereits am Dienstagabend in der Fraktionssitzung öffentliche Ratschläge über die Zusammensetzung seiner Regierungsmannschaft verbeten. Schröder wurde danach mit den Worten zitiert: „Wer einen Vorschlag hat, kann sich bei mir melden.“ In der „Zeit“ räumte der Kanzler ein, er sei als SPD-Chef wohl zu ungeduldig gewesen. Der Wechsel an der SPD-Spitze werde nichts am Kurs der Parteiführung ändern.

Anlässlich eines Bildungsgipfels der SPD-Fraktion in Berlin warnte Schröder vor einem folgenschweren Verfall der politischen Kultur in Deutschland. Er registriere in der Öffentlichkeit zunehmend „abträgliche“ und „hämische“ Äußerungen über Politik. Darin liege ein großes Problem. Er selbst fühle sich zwar angesichts seiner politischen Erfahrung persönlich nicht mehr „elementar“ betroffen. Wenn dies aber so weitergehe, werde es in absehbarer Zeit große Schwierigkeiten geben, „Leute zu finden, die gut sind und die sich in der Politik engagieren wollen“. In der Folge könnte es in der Politik „zu einer Negativauswahl sondergleichen kommen“.

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