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Politik: SPD: Fraktion macht mobil gegen Bodewig

Bundesverkehrsminister Kurt Bodewig (SPD) sieht sich mit massiver Kritik von Fachpolitikern seiner eigenen Fraktion konfrontiert. Vor allem der Verzicht auf eine politische Vorgabe für die Zukunft der Bahn AG wird von Mitgliedern der SPD-Arbeitsgruppe Verkehr, Bau und Wohnungswesen im Bundestag als schlimmes, aber nicht einziges Versagen Bodewigs im Jahr vor der Bundestagswahl gewertet.

Von Hans Monath

Bundesverkehrsminister Kurt Bodewig (SPD) sieht sich mit massiver Kritik von Fachpolitikern seiner eigenen Fraktion konfrontiert. Vor allem der Verzicht auf eine politische Vorgabe für die Zukunft der Bahn AG wird von Mitgliedern der SPD-Arbeitsgruppe Verkehr, Bau und Wohnungswesen im Bundestag als schlimmes, aber nicht einziges Versagen Bodewigs im Jahr vor der Bundestagswahl gewertet. Auch der Umgang des erst seit November amtierenden Ministers mit den Experten der eigenen Fraktion sorgt für Unmut. "Er versucht, uns für dumm zu verkaufen", sagt ein Abgeordneter. Nach Informationen des Tagesspiegels ist die Kritik im Kanzleramt und gegenüber der SPD-Spitze vorgetragen worden.

Vor allem wird dem Minister vorgeworfen, dass er sich nicht im Interesse eines möglichst guten Verkehrsangebots den Entscheidungen des Bahn-Vorstands entgegenstelle, die allein am Kriterium einer schnellen Wirtschaftlichkeit ausgerichtetet seien. Er verzichte auf eine Vorgabe für die Geschäftspolitik der Bahn. In diesem Zusammenhang wird darauf verwiesen, dass der Minister bei einer bundeseigenen Aktiengesellschaft dazu die Möglichkeit habe. Zudem verpflichte das Grundgesetz den Bund, beim Ausbau und Erhalt der Schienenwege dem Wohl der Allgemeinheit Rechnung zu tragen.

Die Argumentation und das als arrogant empfundene Auftreten der Bahn-Spitze gegenüber dem Bundestag sorgen bei Fachpolitikern der SPD für nachhaltige Verärgerung, von "Unverschämtheiten" ist die Rede. Nach dem Eindruck von Abgeordneten ist die Bahn nicht bereit zu prüfen, wie mit geringen Mitteln Strecken schneller oder Angebote attraktiver gemacht werden können, bevor sie sich für Stilllegungen entscheidet. Mit Besorgnis wird beobachtet, dass Bahnchef Hartmut Mehdorn den öffentlichen Machtkampf mit Bodewig suche, der Minister aber nicht gegenhalte. "Wenn das so weitergeht, können wir das im Koalitionsvertrag verkündete Ziel fallen lassen, mehr Verkehr auf die Schiene zu bringen", heißt es.

Dem Minister persönlich tragen Abgeordnete nach, dass er ihnen gegenüber Fehler oder Rückschläge nicht eingestehe, sondern schönrede: "Es fehlt ihm an der Bereitschaft, sich beraten zu lassen und Probleme zielorientiert zu lösen." So sei die Entscheidung Bodewigs für die Abtrennung des Bahn-Netzes im März, von der er später Abstand nahm, den Mitgliedern der SPD-Arbeitsgruppe nicht bekannt gemacht worden, die wenige Tage zuvor zum gleichen Thema beriet.

Auch bei anderen Koalitionsvorhaben aus dem Bereich des Verkehrsministeriums wird auf Schwierigkeiten verwiesen. So gibt es Zweifel, ob die Lkw-Maut tatsächlich zum 1. Januar 2003 in Kraft treten kann. Der Abstimmungsprozess mit den Ländern und die Ausschreibung für einen Betreiber des Mautsystems gelten als so zeitaufwändig, dass spätestens Anfang September das Bundeskabinett entscheiden müsse. "Das Thema ist in dem Haus verschlafen worden", heißt das Urteil. Befürchtet wird, dass die Opposition im Bundesland Nordrhein-Westfalen, dem ein Großteil der Einnahmen aus dem Anti-Stau-Programm zukommen soll, die Verschleppung zum Wahlkampfthema macht.

Ähnlich hart fällt die Einschätzung der im Koalitionsvertrag angekündigten Überarbeitung des Bundesverkehrswegeplans und der ebenfalls versprochenen Novelle zum Fluglärm aus, von der es nun heißt, "dass wir das nicht mehr gebacken kriegen". Auch Fachpolitiker der Grünen sind skeptisch, ob die Lkw-Maut termingemäß kommt, bei der Fluglärm-Novelle liege eine "Pattsituation" vor. Im Kampf gegen Streckenstilllegungen der Bahn sehen die Grünen aber eher die Länder als den Bund in der Pflicht.

Direkte Aufforderungen aus der SPD-Fraktion an Bodewig, zumindest in der Bahnpolitik gegenzusteuern, sollen ohne Resonanz geblieben sein. Aus Angst vor dem Wähler geht der Appell nun an den Regierungschef: "Wenn wir uns von der Verkehrspolitik nicht ganz verabschieden wollen, dann muss der Kanzler eingreifen."

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