zum Hauptinhalt

Politik: SPD-Fraktion will Hartz nochmal ändern

Kanzler in Wittenberge mit Ei beworfen und in Leipzig ausgepfiffen / Brandenburgs PDS im Umfragehoch

Von
  • Matthias Meisner
  • Antje Sirleschtov

Berlin/Leipzig - Die SPD-Bundestagsfraktion will doch noch einmal das Reformgesetz Hartz IV überprüfen und mögliche Gerechtigkeitslücken schließen. „Wir werden die Sorgen der Menschen aufgreifen und in aller Ruhe über Veränderungen entscheiden, wo sie notwendig sind“, sagte der Arbeitsmarktpolitiker Klaus Brandner am Dienstag dem Tagesspiegel. Ausdrücklich schloss er Änderungen in den Fragen aus, „die die grundsätzliche politische Richtung betreffen“, wie etwa die Zumutbarkeitskriterien für Langzeitarbeitslose bei der Jobvermittlung.

Gemeinsam mit der Bundesagentur für Arbeit und dem Wirtschaftsministerium will Brandner ein Paket schnüren, in dem auch das Problem der älteren Langzeitarbeitslosen, die die so genannte 58er-Vereinbarung unterschrieben haben, zur Sprache kommt. Dass diese rund 160 000 Langzeitarbeitslosen von Januar an von Hartz IV betroffen sind, obwohl ihnen die Leistungen der Arbeitslosenversicherung bis zum Rentenbeginn zugesagt wurden, war auch in der SPD-Fraktion als Vertrauensbruch bezeichnet worden. Brandner wollte sich nicht auf einen Zeitpunkt festlegen, bis zu dem das Hartz-IV-Gesetz verändert werden soll. „Wir werden nicht aus der Hüfte schießen“, sagte er.

Die Proteste gegen die rot-grünen Reformen nehmen zu – auch an Radikalität. Bei einem Besuch im brandenburgischen Wittenberge wurde Kanzler Gerhard Schröder am Dienstag mit einem Ei beworfen, aber nicht getroffen. An einem Bahnübergang prallte ein Stein gegen eine Regierungslimousine. Bei einer Wahlkampfveranstaltung der sächsischen SPD in Leipzig ging die Rede des Kanzlers stellenweise im Pfeifkonzert der Reformgegner unter. Schröder unterstrich, er werde an seinem Kurs festhalten. „Aus meiner Verantwortung heraus kann ich nicht zulassen, dass der Reformprozess abgebrochen wird“, sagte er. Gleichwohl räumte er angesichts von Forderungen aus der SPD ein, Härten vor allem bei Hartz IV zu mildern: „Darauf müssen wir eingehen.“ Eine Revision des Gesetzes werde es aber nicht geben. Es gehe „um die Umsetzung des als richtig Erkannten – auch gegen Widerstand von links und rechts“.

Im Zuge der Kritik an Hartz IV setzt sich für die PDS der Aufwärtstrend in den Umfragen fort – vor allem in Brandenburg, wo die Sozialisten am 19. September erstmals stärkste Partei in einem Bundesland werden könnten. Nach einer Forsa-Umfrage, die der „Stern“ in seiner nächsten Ausgabe veröffentlicht, darf die PDS bei der Wahl zum Potsdamer Landtag 36 Prozent erwarten, gegenüber der Wahl vor fünf Jahren ein Plus von 13 Prozent. Die SPD käme auf 27 (minus zwölf), die CDU auf 22 (minus fünf). SPD-Regierungschef Matthias Platzeck hatte klar gemacht, dass bei dieser Konstellation alles auf eine Fortsetzung der großen Koalition hinauslaufen würde. PDS-Chef Lothar Bisky rief SPD und CDU in Brandenburg auf, sich nicht gegen einen PDS-Ministerpräsidenten festzulegen. „Die PDS ist keine zweitklassige Partei. Ich kann nur davor warnen, das Votum der Wählerinnen und Wähler schon vor der Wahl zu entwerten“, sagte er dem Tagesspiegel. „Sie geben ihre Stimmen ja nicht aus Daffke ab, sondern um die bisherige Arbeit einzuschätzen und zu signalisieren, wem sie für die künftige Arbeit Vertrauen schenken.“ Würde Brandenburgs Regierungschef direkt gewählt, käme Platzeck auf 59 Prozent, Jörg Schönbohm (CDU) und Dagmar Enkelmann (PDS) , erhielten 13 und zwölf Prozent.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false