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Vor der Presse konnte SPD-Chef Martin Schulz am Ende aus dem Parteivorstand Einmütigkeit vermelden.

© dpa

SPD geht in Sondierungen: Schulz: "Wir wollen eine andere Regierungskultur"

Die SPD nähert sich einer möglichen Regierungsbildung mit der Union: Der Parteivorstand beschließt einstimmig Sondierungsgespräche, die Vorbereitungen dafür laufen an.

Von Hans Monath

Das Jahresende verläuft für manche Sozialdemokraten ganz anders, als sie sich das noch vor Kurzem vorgestellt hatten. „Die Weihnachtsferien für den einen oder anderen sind abgesagt“, verkündete Parteichef Martin Schulz am Freitag, nachdem die Parteigremien den Weg für Sondierungsgespräche mit der Union über eine Regierungszusammenarbeit frei gemacht hatten. Schon am kommenden Mittwoch wollen Schulz und Fraktionschefin Andrea Nahles mit CDU und CSU vor allem über die Struktur der kommenden Verhandlungen sprechen. Weil es voraussichtlich Anfang Januar dann beim nächsten Treffen mit der Union um Sachthemen geht, sind auch die Mitarbeiter von Schulz und Nahles gefragt und müssen nun die Dossiers vorbereiten, statt zum Beispiel Ski zu fahren.

Ohnehin dürfte in den kommenden Wochen bei Schulz und Nahles nur wenig Urlaubsstimmung aufkommen: Viele Genossen an der Basis und auch wichtige Mitglieder der Parteiführung stehen einer Neuauflage der großen Koalition skeptisch bis ablehnend gegenüber, weshalb der Parteivorstand einstimmig nur die Aufnahme „ergebnisoffener“ Sondierungsgespräche beschloss. Die Aufnahme formeller Koalitionsverhandlungen müsste ein Sonderparteitag beschließen, der zunächst für Mitte Januar geplant ist. Für den Fall, dass sich die bei der Bundestagswahl geschrumpften Volksparteien tatsächlich einig werden, haben sich die Sozialdemokraten ganz am Ende noch eine hohe Hürde aufgebaut: Ein möglicher Koalitionsvertrag müsste eine Mitgliederbefragung überstehen.

Nach dem Votum des Parteivorstands sagte Schulz, es gehe nun darum, wie die SPD „zu einer Regierungsbildung und einer möglichst stabilen Regierung in diesem Lande beitragen kann“. Die Formulierung vermeidet jede Festlegung auf eine bestimmte Regierungsform – darauf hatte schon der SPD-Parteitag vergangene Woche penibel geachtet. Zwar haben CDU und CSU unmissverständlich klargemacht, dass für sie weder eine von der SPD tolerierte Minderheitsregierung noch eine Kooperationskoalition infrage kommt, die nur die Zusammenarbeit auf wenigen Themenfeldern regelt und andere Entscheidungen dem Parlament überlässt.

Die SPD habe diese Meinung der Union „zur Kenntnis genommen“, erklärte Schulz. Es gebe aber „unterschiedliche Modelle, wie man eine Regierung bilden kann“. Auf die Frage, ob er die Vertreter von CDU und CSU beim Gespräch am Mittwoch als kompromissbereit empfunden habe, sagte der Parteichef: „Ich glaube, die Unionsparteien meinen es ernst.“ Es gebe „eine gewisse Bereitschaft, aber das heißt noch nicht viel. Das wird sich noch konkretisieren müssen.“

Die Frage der Regierungsform soll später thematisiert werden

Nach dem Willen der SPD sollen in den Sondierungsgesprächen zunächst inhaltliche Fragen geklärt, die Frage der Regierungsform soll später thematisiert werden. Das Vorgehen soll Schulz, Nahles und den zehn anderen Verhandlern (siehe Kasten) mehr Handlungsspielraum sichern: Bleiben andere Formen als die große Koalition im Spiel, kann die Führung dem Sonderparteitag womöglich erste Ergebnisse präsentieren, die der Partei wichtig sind. Erst am Ende der Sondierungen sollen dann der Parteivorstand und der Sonderparteitag entscheiden, ob Koalitionsverhandlungen mit dem Ziel große Koalition, Minderheitsregierung oder Kooperationskoalition („Koko“) aufgenommen werden.

Schulz bemühte sich, zu einer mögliche Neuauflage der großen Koalition rhetorisch auf Distanz zu gehen. „Wir wollen eine andere Regierungskultur in unserem Lande“, sagte er. „Es wird kein Weiter-so und keine Fortsetzung der großen Koalition in der Form, in der wir das hatten, geben.“ Eine neue Regierung müsse etwa die Kommunikation mit den Bürgern suchen und sich ihnen in „Dialogforen“ erklären.

Was die Verhandlungen selbst angeht, wollen die Sozialdemokraten Fehler vermeiden, die bei den Jamaika-Sondierungen begangen wurden. „Wir werden dafür sorgen, dass die Verhandlungen einen anderen Stil an den Tag legen“, kündigte Schulz an: „Bei uns wird es keine Balkonbilder geben und kein huldvolles Winken vom Palais.“ Der SPD-Chef spielte damit auf Fotos der Jamaika-Sondierer an, die sich in gelöster Stimmung auf dem Balkon der Parlamentarischen Gesellschaft gegenüber dem Reichstag gezeigt hatten. Zeichen von Vertraulichkeit mit Unionspolitikern scheinen Schulz nicht geeignet, seine bockige Basis zu überzeugen. Stattdessen gelte: „Wir werden uns konzentrieren und intensiv beraten.“

In der Zeit zwischen dem Gespräch mit der Union am Mittwochabend und der Vorstandssitzung vom Montag hatten wichtige SPD-Politiker weder Ergebnisse noch neue Forderungen in die Welt gesetzt. Er hoffe, sagte Schulz, dass diese Kommunikationsdisziplin für die Sondierungen „stilbildend“ sein werde.

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