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Maget

© Heddergott

SPD in Bayern: "Huber und Beckstein tun mir leid"

Bayerns SPD-Spitzenkandidat Franz Maget spricht mit dem Tagesspiegel über Wahlkampf, die K-Frage – und Regenbogen.

MÜNCHENER KIND

Nach dem Abitur an

einem Schwabinger

Gymnasium trat Franz Maget in die Münchener SPD ein, für die er seit 1990 im bayerischen Landtag sitzt.

SANIERER

1983, nach Tätigkeiten beim DGB und

Lehraufträgen an

Fachhochschulen,

wurde der Geschichts- und Sozialwissenschaftler Vorsitzender der

hochverschuldeten

Münchener Arbeiterwohlfahrt, die er innerhalb von zwei Jahren

sanierte.

WIEDERHOLER

Der 54-Jährige, seit

Sommer 2000 Fraktionschef im Landtag, tritt

das zweite Mal als SPD-Spitzenkandidat

zur Bayern-Wahl an.

Herr Maget, welche Eigenschaften muss einer mitbringen, um zweimal als Spitzenkandidat der SPD in Bayern anzutreten?

Ausdauer, Mut, Ausgeglichenheit.

Auch Leidensfähigkeit?

Ich leide nicht. Für mich ist es Ehre und Auszeichnung, Spitzenkandidat der traditionsreichsten Partei Bayerns zu sein.

2003 hat die SPD die Bayern-Wahl mit 19,6 Prozent krachend verloren. Sie selbst sprachen damals von einem „Debakel“.

Es war ja auch eins. Wir mussten unter extrem schwierigen Bedingungen antreten. Zum einen war die CSU auf ihrem Höhepunkt: Stoiber kam als knapp gescheiterter Kanzlerkandidat nach Bayern zurück und bekam noch einmal die Rückendeckung seiner Landsleute. Zum anderen war die SPD wegen der Agenda 2010 innerparteilich völlig zerrissen. Am 1. Juli, mitten im Landtagswahlkampf wurde der Streit auf einem Sonderparteitag offen ausgetragen.

Und da haben Sie nicht gelitten?

Sagen wir es so: Ich kam mir vor, wie ein Ladenbesitzer, dessen Verkäufer vor der Tür stehen und der Kundschaft erklären, dass wir nur Mist anbieten. Dass dann keiner gekauft hat, war nachvollziehbar.

Wer trägt die Verantwortung, wenn die SPD bei der Wahl in drei Wochen wieder bei 20 Prozent landet – Andrea Ypsilanti, Kurt Beck oder Sie selbst?

Wir werden deutlich besser abschneiden. Die CSU hat in den letzten Jahren einen schweren und nachhaltigen Vertrauensverlust erlitten. Das wird sich beim Wahlergebnis auswirken.

Die SPD dümpelt aber trotz der Schwäche der CSU in den Umfragen weiter bei Werten von 20 Prozent vor sich hin.

Trotz einer bundespolitischen ungünstigen Entwicklung ist die SPD in Bayern sehr stabil geblieben. Wir sind mittlerweile genauso stark wie die SPD bundesweit, das gab es in Bayern noch nie.

Kommt es Ihnen nicht seltsam vor, den Niedergang der Bundes-SPD als Beleg für die Stärke der Landespartei heranzuziehen?

Die Tatsache, dass wir trotz der schwierigen Lage im Bund in Bayern punkten, zeigt mir, dass wir auf dem richtigen Weg sind. Ich habe erreicht, dass die SPD bei uns im Freistaat mehr bayerische Identität entwickelt. Wir werden bis zum Wahltag deutlich zulegen, obwohl mit der Linkspartei und den Freien Wählern zwei neue Bewerber dazugekommen sind.

Die schwere Lage der SPD hat auch damit zu tun, dass Andrea Ypsilanti in Hessen mit Hilfe der Linkspartei regieren will. Wie oft haben Sie die Parteifreundin in den letzten Wochen verflucht?

Dass es Begleitmusik aus anderen Ländern gibt, die uns nicht hilft, ist richtig.

Jetzt untertreiben Sie aber. Das Thema hat Ihnen doch den Wahlkampf verhagelt.

Und Sie übertreiben. Wir müssen und wir können vermitteln, dass es am 28. September nicht um Wahlen in Hessen und den Landtag in Wiesbaden, sondern um Bayern geht.

Keine stillen Flüche auf Andrea Ypsilanti?

Ich habe sie weder angerufen, noch habe ich sie verflucht. Es ist mit Sicherheit kein einfacher Weg, den sie in Hessen geht. Aber die Entscheidung liegt in ihrer Hand. Damit muss sie verantwortungsbewusst umgehen.

Wird sie ihrer Verantwortung gegenüber der gesamten SPD denn gerecht? Die Glaubwürdigkeit von Absagen der SPD an eine Kooperation mit der Linken – sei es im Bund, sei es in Bayern – ist doch jetzt dahin.

Ich will nicht bestreiten, dass Glaubwürdigkeitsprobleme entstanden sind. An meiner Glaubwürdigkeit kann es aber keinen Zweifel geben. Mein Wort gilt. Wenn die CSU jetzt zum Kreuzzug gegen die Linke in Bayern aufruft, als stünde bei uns der Kommunismus vor der Tür, dann ist das absolut lächerlich. Herr Huber und Herr Beckstein tun mir leid, dass sie das nötig haben.

Welchen Anteil hat der Zick-Zack-Kurs von Parteichef Beck am Glaubwürdigkeitsproblem der SPD beim Thema Rot-Rot?

Kurt Beck gibt für den Bund eine klare Richtung vor: Keine Koalition mit der Linkspartei. Dafür sprechen auch genügend inhaltliche Gründe. Über Koalitionen in den Ländern entscheiden die Landesverbände. Von einem Zick-Zack- Kurs würde ich nicht sprechen.

Dann lassen Sie uns Becks Vorgehen rekapitulieren. Zuerst hat er jede Form der Zusammenarbeit im Westen ausgeschlossen, obwohl laut Satzung die Landesverbände zuständig sind. So weit korrekt?

Korrekt.

Nachdem die Linke in Hessen einzog, hat er Andrea Ypsilanti dann freie Hand gegeben. Den ersten Versuch musste Ypsilanti wegen Widerstands aus ihrer Fraktion abbrechen. Daraufhin erklärte Beck, die Hessen-SPD werde nicht zweimal mit dem Kopf gegen dieselbe Wand rennen. Jetzt nimmt Andrea Ypsilanti neu Anlauf. Agiert so ein führungsstarker Parteichef?

Kurt Beck hat Andrea Ypsilanti deutlich gemacht, dass der Weg zu einer von der Linken geduldeten Minderheitsregierung mit Gefahren behaftetet ist. Sie selbst muss entscheiden, ob sie ihn trotz dieser Warnung gehen will.

Kann Beck noch Kanzlerkandidat werden?

Der Parteivorsitzende ist immer ein möglicher Kanzlerkandidat.

In der SPD heißt es flügelübergreifend, die Entscheidung zugunsten von Vizekanzler Steinmeier sei de facto gefallen.

Davon weiß ich nichts. Angesichts der zum Teil ungerechten Kritik an Kurt Beck in den letzten Monaten sollte nicht in Vergessenheit geraten, dass er als erfolgreicher Ministerpräsident im konservativ strukturierten Rheinland- Pfalz mit absoluter Mehrheit regiert.

Wie lange kann die K-Frage noch formal offen gehalten werden?

Wir müssen uns nicht im September entscheiden, dass kann auch Ende des Jahres sein. Man kann es aber auch jetzt tun.

Warum warten, wenn die Entscheidung eigentlich feststeht?

Der Kanzlerkandidat wird viele Monate in dieser Funktion stehen müssen. Deshalb muss man den richtigen Zeitpunkt erwischen.

Würde es der Bayern-SPD nicht helfen, wenn vor der Wahl offiziell entschieden würde?

Nein. Das glaube ich nicht. Es wäre wieder ein bundespolitisches Thema, von denen ich ja generell sage: Liebe Leute, haltet das mal ein Stück weit von Bayern fern, denn es geht hier um eine bayerische Landtagswahl.

Also würde Ihnen die Parteispitze keinen Gefallen tun, wenn sie Steinmeier in der heutigen Klausur benennen würde?

In einer solchen Klausur, wo die Verantwortlichen der Partei zusammensitzen, muss man auch immer in der Lage sein, eine Entscheidung zu treffen. Das kann man auch in dieser Frage tun. Aber eine Empfehlung von mir oder gar einen Wunsch gibt es nicht.

Sie haben mal gesagt, Sie wünschten sich für die SPD eine Doppelspitze. Soll die aus Steinmeier und Beck oder aus Steinmeier und Franz Müntefering bestehen?

Ich habe davon gesprochen, dass wir eine Doppelspitze haben. Nämlich einen guten Parteichef und einen guten Außenminister. Beide müssen auch eine Doppelspitze bleiben, egal wer den Hut des Kanzlerkandidaten aufhat. Auf die Belastbarkeit dieses Duos kommt es im Wahlkampf entscheidend an. Beide müssen extrem gut kooperieren und kommunizieren.

Dass Müntefering wieder Parteichef wird, schließen Sie aus?

Es wird den Medien nicht gelingen, Kurt Beck aus dem Vorsitz zu schreiben. Franz Müntefering braucht im Übrigen kein herausgehobenes Amt. Er überzeugt durch seine politische Lebensleistung.

Müntefering hat am Mittwoch in München eine umjubelte Rede gehalten. Gibt es in der SPD eine Sehnsucht nach Führung?

Ja, die SPD braucht Führung. Wir sind eine sehr diskussionsfreudige Partei. Unsere Stärke war immer, unterschiedliche gesellschaftspolitische Sichtweisen zum Ausdruck zu bringen und dennoch einen gemeinsamen Weg zu gehen. Dafür benötigt die SPD aber ein starkes Führungszentrum. Franz Müntefering kann genau dieses Zentrum stärken.

Wie soll eine Zusammenarbeit zwischen Franz Müntefering und Kurt Beck nach den Verletzungen der vergangenen Monate funktionieren?

Dass es da Verletzungen gegeben hat, habe ich auch gespürt. Ich halte Beck und Müntefering aber für jederzeit in der Lage, einen gemeinsamen Weg zu gehen. Es wird funktionieren, weil beide Sozialdemokraten aus echtem Schrot und Korn sind.

Noch mal: Münteferings Rückkehr an die Parteispitze schließen Sie aus?

Ausgeschlossen wäre sie nicht, da er jederzeit die Kompetenz und die Fähigkeit dafür mitbringt. Aber klare Ansage: Kurt Beck bleibt Vorsitzender.

Wie erklären Sie sich, dass Müntefering bejubelt wird, obwohl er für Reformen steht, mit denen die SPD noch immer hadert?

Das liegt an seiner Persönlichkeit. Erstens verkörpert er klassische Sozialdemokratie. Zweitens spricht er selbstbewusst über die Erfolge unserer Politik.

Die SPD hat die Reformagenda auf ihrem Hamburger Parteitag gegen den Willen Münteferings korrigiert und das Arbeitslosengeld I verlängert. Droht ein neuer Richtungsstreit, wenn Müntefering wieder ins Zentrum rückt?

Wir haben auf dem Hamburger Parteitag ein Bekenntnis zur Reformpolitik abgelegt, aber an der einen oder anderen Stelle eine Korrektur durchgeführt. Dagegen hat sich Franz Müntefering gewandt. Aber er sieht auch, dass eine Partei, wenn sie einen sozialpolitischen Bedarf erkennt, an der einen oder anderen Stelle korrigieren muss. Das werden wir übrigens immer wieder tun.

Gerade haben 60 linke Sozialdemokraten die Regierungspolitik der SPD für die wachsende Kluft zwischen Arm und Reich verantwortlich gemacht. Da geht es doch nicht nur um Korrekturen.

Es finden sich in diesem Papier sehr bedenkenswerte Vorschläge, die natürlich teilweise über das, was in Hamburg beschlossen wurde, hinausgehen. Ich habe das Papier nicht unterschrieben. Ich halte es von seiner Intention her aber für völlig korrekt. Wo, wenn nicht in der SPD, soll denn über die Bekämpfung der Armut geredet werden?

Soll die Rente mit 67 zurückgenommen werden, wie die Unterzeichner fordern?

Nein, aber wir brauchen flexible Übergänge in die Rente zu akzeptablen Bedingungen. Auch deshalb halten wir an der Altersteilzeit fest.

Herr Maget, lassen Sie uns noch einmal über die charakterlichen Voraussetzungen eines SPD-Spitzenkandidaten in Bayern reden. Darf er ein Träumer sein?

Er muss ein realistischer Optimist sein.

Wo verläuft für Sie die Grenze zwischen Optimismus und Träumerei?

Träumerei beginnt da, wo Vorstellungen den Bezug zur Wirklichkeit verlieren.

Dann müssen Sie ein Träumer sein.

Wieso?

Weil Sie glauben, mit einer Regenbogenkoalition aus SPD, Freien Wählern, FDP und Grünen Ministerpräsident werden zu können.

Das ist keine Träumerei, sondern berechtigter Optimismus. Es gibt eine reale Chance auf einen Wechsel in Bayern.

Nehmen wir einmal an, die CSU würde tatsächlich die absolute Mehrheit verlieren...

...was sehr wahrscheinlich ist…

...und nehmen wir weiter an, es gäbe eine rechnerische Mehrheit für ein Regenbogenbündnis – dann müssten Sie die FDP dafür auf Ihre Seite ziehen. Das ist doch nicht realistisch.

Wenn die CSU die absolute Mehrheit verliert, dann werden die Karten völlig neu gemischt. Dann wird es einen Zwang aller zur Zusammenarbeit geben. Als optimistischer Realist sage ich Ihnen: Sie werden den Regenbogen über Bayern schon noch aufgehen sehen.

Das Gespräch führte Stephan Haselberger. Das Foto machte Andreas Heddergott.

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