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Szenen einer Ehe: Der Umgang mit ihrem Mann im Wahlkampf sei für sie schwer zu ertragen, hat Gertrud Steinbrück beim Parteikonvent der SPD gesagt.

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SPD-Kanzlerkandidat überraschend persönlich: Die zwei Ehen des Peer Steinbrück

Eigentlich wollte sich Peer Steinbrück auf dem Parteikonvent am Wochenende von seiner persönliche Seite zu zeigen. In einem moderierten Zwiegespräch wollten er und Ehefrau Gertrud erstmals einen tieferen Einblick in ihr Privatleben gewähren. Doch zunächst wurde er mit seiner zweiten, nicht ganz so harmonischen Ehe konfrontiert.

Dass Sigmar Gabriel gleich am Anfang ans Rednerpult im Berliner Tempodrom tritt, war in der Parteitagsregie eigentlich nicht vorgesehen. Doch der SPD-Chef kommt an diesem Sonntagmittag schnell zum Punkt: „Ihr werdet auch wissen wollen, wie das mit dem Eheleben von Peer und mir ist.“ In flapsigem Ton versichert Gabriel: „Nicht nur die private, sondern auch die politische Ehe von Peer und mir existiert.“ Sie sei „ziemlich lebendig, meistens fröhlich“, gelegentlich gebe es Reibungen.

Um die Bemerkungen über das Eheleben zu verstehen, muss man wissen, dass SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück den Parteitag eigentlich nutzen wollte, um seine persönliche Seite zu zeigen. In einem moderierten Zwiegespräch wollten er und Ehefrau Gertrud erstmals einen tieferen Einblick in ihr Privatleben gewähren. Eine Premiere. Bislang hatte sich Steinbrücks Ehefrau bewusst nicht in den Wahlkampf einspannen lassen.

Doch an diesem Sonntag, 98 Tage vor der Bundestagswahl, steht zunächst einmal der Familienkrach in der SPD-Führung im Vordergrund. Unmittelbar vor dem Konvent hatte Steinbrück Gabriel mit einigen Sätzen im „Spiegel“ massiv attackiert und ihm mangelnde Loyalität vorgeworfen. „Nur eine Bündelung aller Kräfte ermöglicht es der SPD, die Bundesregierung und Frau Merkel abzulösen“, sagte Steinbrück dem Nachrichtenmagazin. „Ich erwarte deshalb, dass sich alle – auch der Parteivorsitzende – in den nächsten 100 Tagen konstruktiv und loyal hinter den Spitzenkandidaten und die Kampagne stellen.“

Dabei bezog Steinbrück sich auch auf eine Sitzung der Bundestagsfraktion, in der er sich offenbar nicht ausreichend von Gabriel unterstützt fühlte. „Situationen wie am vergangenen Dienstag in der Fraktion dürfen sich nicht wiederholen“, mahnte Steinbrück. Nach Angaben von Teilnehmern ging es dabei um die Pläne der Bundesregierung zur europäischen Bankenunion, die Steinbrück ebenso wie Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier grundsätzlich unterstützt. Mit der Ankündigung, er könne nicht zustimmen, hatte der SPD-Haushaltspolitiker Carsten Schneider den Streit ausgelöst. Gabriel mischte sich ein, nachdem der Sprecher des konservativen Seeheimer Kreises, Johannes Kahrs, den Kompromissvorschlag machte, die Abstimmung über den umstrittensten Punkt herauszulösen. Wenn die Fraktion so verfahre, lehne sie den Vorschlag faktisch ab, sagte Gabriel sinngemäß nach Teilnehmerberichten. Ob er Steinbrück damit provozieren wollte oder nur die Fraktion ermahnen wollte – dazu gibt es unterschiedliche Lesarten bei den Abgeordneten. Offensichtlich ist aber: Bei Steinbrück traf er einen empfindlichen Nerv.

Die zweite Ehe: Parteichef Sigmar Gabriel (links) hat Peer Steinbrück als Kanzlerkandidat zugebilligt, von ihm auch mal „in den Senkel“ gestellt zu werden.
Die zweite Ehe: Parteichef Sigmar Gabriel (links) hat Peer Steinbrück als Kanzlerkandidat zugebilligt, von ihm auch mal „in den Senkel“ gestellt zu werden.

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In den vergangenen Wochen hatte es zwischen Gabriel und Steinbrück immer wieder Unstimmigkeiten gegeben. So verärgerte Gabriel den Kanzlerkandidaten, als er im Alleingang ein Tempolimit auf deutschen Autobahnen forderte. Und während Steinbrück nicht in die Flutgebiete reisen wollte, weil er sich nicht am „Gummistiefelwettbewerb“ beteiligen wollte, schaute sich Gabriel kurze Zeit später die Pegelstände in Magdeburg an.

Auf dem Parteikonvent versuchte Gabriel nun, den Konflikt herunterzuspielen. „Es gibt zwischen uns keine Streitereien“, sagt der SPD-Chef am Sonntagmittag und dreht sich zu Steinbrück um, der schräg hinter ihm an einem langen Tisch sitzt, an dem alle Mitglieder seines Kompetenzteams Platz genommen haben. „Und wenn der Kanzlerkandidat meint, er müsse den Parteivorsitzenden mal in den Senkel stellen, dann darfst du das.“

Bereits in der Sitzung des Parteivorstands vor dem Konvent waren die beiden Kontrahenten um Deeskalation bemüht. Die Fortsetzung dieser Debatte würde „das Ende des Wahlkampfs bedeuten“, sagte Gabriel nach Angaben von Teilnehmern.

Vermutlich ist es auch aus dieser angespannten Situation heraus, dass Steinbrück sich auf dem Parteikonvent überraschend emotional zeigt. Gerade hat seine Frau Gertrud erzählt, wie schwer erträglich sie es findet, dass immer nur das über ihren Mann berichtet werde, was negative Gefühle auslöse. „Immer wird nur geguckt, wo eine Panne lauern könnte.“ Mit der Kandidatur habe er viel Freiheit, Freizeit und finanzielle Sicherheit aufgegeben. „Uns ging es doch gut“, sagt sie. „Wir konnten Scrabble spielen, wann wir wollten“, berichtet die Gymnasiallehrerin, spazieren gehen und zusammen lachen. Das alles gebe man doch nur auf, wenn man wirklich etwas bewegen wolle. „Und dann wird er nur noch verhauen“, beklagt Gertrud Steinbrück.

„Warum tun Sie das?“, fragt die WDR-Moderatorin Bettina Böttinger Peer Steinbrück. Eine Antwort erhält die Journalistin nicht. Der 66-Jährige kann nicht mehr sprechen, ihm steigen die Tränen in die Augen. Seine Frau Gertrud sucht seine Hand, aber Steinbrück wehrt sie ab. Ein Moment, der auch die Delegierten des Parteitags rührt. Sie stehen auf und klatschen minutenlang Beifall.

Gertrud Steinbrück, die in diesem Wahlkampf zum ersten Mal auf offener Bühne auftritt, lässt auch ansonsten ihre Distanz zum politischen Betrieb in Berlin erkennen. Von der Kandidatur ihres Mannes habe sie aus den Nachrichten erfahren. „Ich war erschüttert“, sagt sie. Vorher hätten sie nicht tiefer diskutiert, „was das mit uns macht“, sagte sie mit Blick auch auf die drei erwachsenen Kinder. Doch sie sei preußisch erzogen. „Jetzt wird das Ding auch durchgezogen.“ Und wenn ihr Mann Kanzler werden sollte, welche Rolle würde sie einnehmen? Sie werde so zurückhaltend wie bisher bleiben, stellt die schlagfertige Lehrerin klar: „Ich kann keine Michelle Obama geben.“

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