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Politik: SPD-Karneval in Bremen

Genossen starten gut gelaunt in den Wahlkampf

Spot an, Musik auf volle Dröhnung. „Freude, schöner Götterfunken“ schallt es durch das „BLG-Forum“, eine ehemalige Industriehalle am Rande des Bremer Überseehafens. Gut 500 Augenpaare wandern zur Eingangstür, wo gleich der Einzug der Polit-Gladiatoren startet. Und da kommen sie: Bürgermeister Jens Böhrnsen und vier SPD-Größen aus drei anderen Bundesländern ziehen mit Beethovens Beistand zur Bühne.

Wahlkampfauftakt bei den Genossen: ein „bunter Abend mit Politik und Kultur“. Am 22. Mai wird die neue Bürgerschaft gewählt und die SPD gibt sich siegesgewiss und freudentrunken. Sie ist zwar nicht so überheblich, auf eine absolute Mehrheit zu hoffen, auch wenn einem der Ehrengäste, Olaf Scholz, dieses Kunststück jüngst an der Elbe gelungen ist. Aber: Wieder die stärkste Kraft zu werden und erneut den Regierungschef zu stellen wie schon immer seit 1945 – das dürfte den Genossen an der Weser problemlos gelingen. Ja, trotz gewisser Konkurrenz durch neue Wählergemeinschaften hoffen sie sogar, ihre 36,7 Prozent vom letzten Mal noch toppen zu können und damit den grünen Koalitionspartner (16,5 Prozent) wie bisher deutlich auf Abstand zu halten.

Denn die Genossen haben einen Star. Einen ganz bescheidenen, einen aus ihrer Mitte: Bürgermeister Böhrnsen. Einst Verwaltungsrichter, dann SPD-Fraktionschef, trat er 2005 in die großen Fußstapfen des abdankenden „Sonnenkönigs“ Henning Scherf. Blass wirkte der Neue zunächst – kein Wunder bei dem langen Schatten des Zwei-Meter-Riesen Scherf. Aber nach und nach eroberte Böhrnsen die Sympathien der kleinen Leute.

Und dann erhielt er auch noch höhere Weihen: 2010, da war er zufällig gerade Präsident des Bundesrats, durfte er für 30 Tage die Amtsgeschäfte des Bundespräsidenten übernehmen, nachdem Staatsoberhaupt Horst Köhler zurückgetreten war. Böhrnsen amtierte so uneitel und hanseatisch-zurückhaltend, dass er erstmals auch überregional wahrgenommen wurde – mit Respekt.

Als der 61-Jährige jetzt beim Wahlkampfauftakt seine Rede halten soll, intoniert ein Spielmannszug noch schnell „Karneval in Rio“. Dann sagt Böhrnsen das, was er fast immer sagt, wenn er die Herzen der Leute erreichen will. Da ist die Rede vom Dreiklang aus „sozialer Gerechtigkeit, starker Wirtschaft und ökologischer Vernunft“ oder wahlweise „solidarischer Gesellschaft, starker Wirtschaft und ökologischer Nachhaltigkeit“.

Man glaubt dem Arbeitersohn, dass er aus vollem Herzen spricht. Aber was seine salbungsvollen Worte konkret für die Praxis besagen, deutet Böhrnsen nur an. Hier ein Hinweis auf den Bremer Studiengebührenverzicht oder die verdoppelten Ausgaben für den Kinderschutz nach dem Tod des kleinen Kevin; dort ein Lob auf das florierende Bremer Mercedes-Werk; und dann noch ein flammender Appell gegen die Atomkraft. Wahlversprechen für die nächste Legislaturperiode erspart sich der Bürgermeister aber.

Er hätte auch nicht viel zu versprechen. Denn das extrem verschuldete Bremen kann sich überhaupt keine Wohltaten mehr leisten – im Gegenteil: Die im Grundgesetz verankerte neue Schuldenbremse zwingt das kleinste Bundesland zu einem noch viel härteren Sparkurs als bisher. Derzeit finanziert Bremen ein Viertel seines 4,3-Milliarden-Etats mit Krediten. Bis 2020 soll diese Neuverschuldung auf null sinken – das dürfte ein Heulen und Zähneklappern geben. Und wie das Sparen genau funktionieren soll, ohne den von Böhrnsen so gerne beschworenen „sozialen Zusammenhalt“ zu sprengen, weiß noch keiner.

Von all dem erwähnt der Bürgermeister nichts in seiner Wahlkampfauftakt- Rede. Lasst die Probleme lieber an uns abprallen, scheint das Motto der Bürgermeisterpartei zu sein.

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