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SPD: Nadelstich gegen den Chef

Im Berliner "Albrechtshof" präsentiert sich die Reform-SPD mit einem 340-seitigen Sammelband - Kurt Beck ist nicht dabei.

„Albrechtshof“ Berlin. Frank-Walter Steinmeier, Peer Steinbrück und Matthias Platzeck haben eine kleine Journalistenrunde eingeladen. Sie wollen einen 340-seitigen Sammelband vorstellen, sie sind die Herausgeber. Sie wollen mit ihrer SPD auf der Höhe der Zeit sein. So heißt auch das Buch. „Auf der Höhe der Zeit“. Darin sind fast alle versammelt, deren Namen in Deutschland und Europa Klang haben – von Anthony Giddens bis Sigmar Gabriel.

Das Buch, sagt Matthias Platzeck, solle die aktuelle Debatte der SPD über ihr Grundsatzprogramm „zuspitzen“. Matthias Platzeck, Ministerpräsident von Brandenburg und einer der zahlreichen lebenden Ex-SPD-Chefs, sagt vorsichtshalber gleich noch dazu: „Das ist kein Buch gegen irgendjemand.“

Und doch, das Buch, das da am Sonntagabend vorgestellt wird, kann gar nicht anders wahrgenommen werden denn als ein Nadelstich. Gegen die konfliktfreie Programmdebatte unter SPD-Chef Kurt Beck. Oder gegen Beck selbst.

Die Frage, warum in der glanzvollen Liste jemand fehlt, nämlich der amtierende SPD-Chef Beck, und noch ein anderer, Vizekanzler Franz Müntefering, wird trotzdem gestellt. Im Fall Münteferings bleibt sie unbeantwortet.

„Beck ist der Parteivorsitzende“, erklärt Platzeck und provoziert damit die Nachfrage, ob er, wäre er noch Parteichef, mitgewirkt hätte. Hier pariert der diplomatisch geschulte Bundesaußenminister: „Verantwortungsbewusste Herausgeber“, sagt Steinmeier, „hätten auch einem Parteichef Platzeck diese Verlegenheit erspart.“ Aber wenn nun zugespitzt werden soll, dann leidet die laufende Programmdebatte offenbar an einem Mangel an Zuspitzung. Und dazu bekennen sich die drei Herausgeber in den weißen Oberhemden.

„Nicht stromlinienförmig“ sei das Buch, sagt etwa der Außenminister, der sich auf seiner Reise durch seinen künftigen Wahlkreis in Brandenburg eine überaus gesunde Gesichtsfarbe zugelegt hat.

Platzeck sagt: „Wir wollen, dass unsere Partei Fortschrittspartei ist.“

Seinen Gedanken, dass es eine zwar falsche, aber menschliche Neigung auch von Sozialdemokraten sei, bei dem zu verharren, was man hat und ist, vertieft Steinbrück mit dem schönen Bild von dem alt vertrauten Sofa, das man liebt. Denn es sei gemütlich und rieche wie man selbst. Nur wenn die erste Sprungfeder drohe sich durch den Bezug zu bohren, dann müsse man etwas tun. Der „Grundirrtum der SPD“, befindet Steinbrück, zeige sich in einem Verständnis, das „mehr Knete automatisch für mehr Sozialstaat“ hält.

Orientiert sich die Autorenliste an den alten Trennlinien zwischen Modernisierern oder Traditionalisten? Die Herausgeber widersprechen. Die Autorenliste sei „breit“, sagt Steinmeier. Aber sie enthalte „keine Sozialstaatskonservativen“.

Beck fehlt, Müntefering, die SPD- Linke auch, die ihrerseits ein Büchlein zur Programmdebatte vorgelegt hat. Herausgeber und Autoren der „Höhe der Zeit“ stehen den Ideen des Programmentwurfs vom vorsorgenden Sozialstaat oder dem – im Vergleich zum Berliner Programm von 1989 – ausgeprägten Fortschrittsoptimismus sicher näher als die Parteilinke. Eine Plattform gegen den geruhsamen Trott der Programmdebatte à la Beck ist der Sammelband trotzdem. Er versammelt die Reformsozialdemokraten, die sich positiv auf die Schröder-Reformen beziehen. Die Agenda 2010 war „eine bittere Medizin, aber die richtige“, sagt Steinbrück. Und Platzeck: „Wir drei sind überzeugt, dass die sieben Jahre unser Land zukunftsfester gemacht haben.“ Es gehe auch darum, den Sozialdemokraten das schlechte Gewissen gegenüber diesen Reformen zu nehmen, erklärt Steinmeier, der designierte SPD-Vize, der Schröders Kanzleramtschef war.

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