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Nochmal Glück gehabt: Hannelore Kraft nach ihrer Wiederwahl als SPD-Landeschefin in NRW.

© dpa

SPD-Parteitag in NRW: Trotz Kritik - Hannelore Kraft mit 95 Prozent wiedergewählt

Amtsmüde? Funkloch-Affäre? Schulden? Zuletzt gab es reichlich Kritik an Hannelore Kraft, SPD-Chefin in NRW – jetzt wurde sie mit 95,2 Prozent wiedergewählt.

Der Beifall war noch nicht ganz verklungen, die Fotos von einer strahlenden Hannelore Kraft geschossen, da greift die soeben wiedergewählte Parteivorsitzende am Vorstandstisch zu ihrem Mobiltelefon. Es ist nicht überliefert, ob sie ihren Widersacher Armin Laschet angerufen und sich bei ihm bedankt hat. Nicht zuletzt weil der CDU-Oppositionsführer ihr in den vergangenen Tagen wechselweise Amtsmüdigkeit oder Lügen vorgeworfen und geunkt hatte, sie bekomme auf ihrem Landesparteitag ein eher bescheidenes Ergebnis, hat er mit seinen verschiedenen Interventionen eher das Gegenteil erreicht.
Genau 52 Minuten nach ihrer Rede verkündet der Tagungspräsident in der schmucklosen Kölner Messehalle ein Ergebnis, das Hannelore Kraft begeistert aufspringen lässt. „Für Hannelore Kraft haben 415 Delegierte gestimmt, das sind 95,18 Prozent“, ruft er, und im Jubel der Genossinnen und Genossen geht unter, dass 14 Parteifreunde mit Nein gestimmt und sich sieben Sozialdemokraten enthalten haben.

Vor zwei Jahren erhielt sie 99 Prozent der Stimmen

Im Vorfeld war nicht nur von der Opposition gemutmaßt worden, wie weit die amtierende Ministerpräsidentin von ihrem Rekordergebnis vor zwei Jahren entfernt sein würde. Damals hatte sie 99 Prozent der Stimmen erhalten. Inzwischen hat sich der Wind in Düsseldorf gedreht, in der Mitte der Legislaturperiode knirscht es in der Staatskanzlei, waren gar Fragen aufgekommen, ob die in der Vergangenheit so instinktsichere Hannelore Kraft den Kontakt zur Basis verloren habe. Selbst in den eigenen Reihen stellte der eine oder andere kritische Fragen, noch nicht öffentlich, aber immerhin hinter vorgehaltener Hand. Da hieß es, sie reagiere auf Kritik dünnhäutig und werde gelegentlich laut, wenn es darum gehen müsste, andere zu überzeugen.
Solange die Umfragewerte für sie gut waren und die Landesregierung ihre Arbeit ohne größere Eruptionen machte, konnte sie dies als die üblichen Erscheinungen in der Mitte einer Legislaturperiode abtun. Nach dem Sommer geriet die Regierung allerdings durch verschiedene Ereignisse aus dem Tritt. Zunächst zerschoss das Landesverfassungsgericht den wichtigsten Sparbeitrag im Haushalt und urteilte, dass die Besserverdiener unter den Beamten von der Gehalterhöhung nicht ausgenommen werden dürfen. Als die Regierung dann den Nachtrag vorlegte und die Schulden auf etwas mehr als drei Milliarden Euro erhöhen musste, sah die Landeschefin sich wieder mit dem Etikett der „Schuldenkönigin Kraft“ konfrontiert. Peinlich wurde es, als die Staatskanzlei zunächst verbreitete, die Ministerriege könne sich von der durch die hohen Richter erzwungenen Erhöhungen nicht absetzen, bis man zwei Tage und einige öffentliche Aufregung später zugab, ja, wir nehmen uns per Kabinettsentscheid von der guten Gabe aus.

Anschließend schaffte es die Regierungschefin nicht, eine Debatte darüber zu beenden, ob sie bei einer lockeren Talkrunde im Münsterland die richtigen Worte gefunden habe, als es darum ging, ob und wie sie im Urlaub über ein Unwetter mit gravierenden Schäden in der Stadt Münster informiert war. Laschet hatte Kraft vorgeworfen, sie habe mit Aussagen zu ihrer telefonischen Erreichbarkeit gelogen. Kraft hielt sich in Brandenburg auf, als ein Unwetter in Münster zwei Todesopfer forderte. Sie hatte argumentiert, dort öfter keinen guten Handyempfang gehabt zu haben. Daher habe sie keine Bilder oder Videos über das Ausmaß des Unwetters empfangen können. Innenminister Ralf Jäger (SPD) habe sie aber erreicht und einen Lagebericht gegeben.
All das lag auf ihr, als sie am frühen Samstagvormittag ans Rednerpult ging. Sie wusste, dass sie sowohl für die Fernsehkameras als auch für die eigene Basis etwas gegen diese Stimmung setzen musste. Sie brauchte einige Minuten, bis sie sich von dieser Last befreit hatte, spätestens als sie an die Abschaffung der Studiengebühren erinnerte, hatte sie den Saal aber auf ihrer Seite. Dass sie wenig später ihr Credo „wir lassen kein Kind zurück“ erneuerte, war wenig überraschend und der erneute Versuch, sich für ihre vorsorgende Sozialpolitik zu rechtfertigen. „Vorbeugen wirkt, es rechnet sich für die Kommunen“, rief sie den Genossinnen und Genossen zu.

Finanzen? "Wir sind keine Bittsteller", sagt Kraft

Damit war sie bei den Finanzen. Mit der Sicherheit des sich steigernden Beifalls ritt sie danach die eine oder andere Attacke gegen Berlin. „Wir sind keine Bittsteller“, eröffnete sie diese Passage und erinnerte daran, dass Nordrhein-Westfalen vor den verschiedenen Finanzausgleichssystemen Platz fünf in der Steuerkraft schafft, dann allerdings so sehr zur Kasse gebeten wird, dass man schließlich auf den letzten Platz abrutscht. „Wir wollen mehr von dem behalten, was die Bürger hier hart erarbeiten“, sagte sie und versprach ihre Durchschlagskraft auf diesem Feld zu erhöhen. Am Ende griff sie die Opposition hart an und warf Laschet schlechten Stil vor. „Wir suchen die inhaltliche Auseinandersetzung, liebe Opposition“, sagte Kraft und betonte: „Unsere Glaubwürdigkeit ist hoch.“ Als sie dann noch hinzufügte, „ich werde mich nicht verbiegen und bleibe so, wie ich bin“, ließ schon der Beifall erahnen, dass sie wenig später mit einem guten Ergebnis wiedergewählt werden würde.

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