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SPD-Parteitag: Linker Flügel fordert die Parteispitze heraus

Die Reichen sollen höher besteuert werden. Doch wie hoch, darüber streitet die SPD noch. Der Parteitag wird zur Machtprobe zwischen dem linken Flügel und der Parteispitze.

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Drei Tage, drei Kanzlerkandidaten – und ein paar schwere Konflikte. Die SPD ringt beim Parteitag um den Kurs. Vor allem in der Steuer- und Rentenpolitik gibt es heftigen Streit. Zwei Jahre lang hatten Parteichef Sigmar Gabriel und eine Kommission am Steuer- und Finanzkonzept gearbeitet. Doch dem linken Flügel der SPD gehen die Steuererhöhungspläne noch nicht weit genug. Er will den Spitzensteuersatz nicht nur von 42 auf 49 Prozent anheben. Darüber hinaus sollen Spitzenverdiener (150 000 Euro bei Alleinstehenden) mit einer dreiprozentigen Reichensteuer belastet werden.

Was für die Linken ein Gebot der Gerechtigkeit ist und die SPD bei den Wählern wieder als linke Volkspartei qualifizieren soll, ist für die Parteispitze nicht akzeptabel. Vor einem „Steuerwettlauf“ hatten nicht nur Parteichef Gabriel sondern auch die beiden anderen potenziellen Kanzlerkandidaten Frank-Walter Steinmeier und Peer Steinbrück im Vorfeld des Parteitages gewarnt. Und auch Altbundeskanzler Gerhard Schröder hatte sich pünktlich zum Parteitagsbeginn mit einer ähnlich lautenden Botschaft zu Wort gemeldet.

Doch für die linken Sozialdemokraten ist das Projekt ein Zeichen der Abkehr von den Zeiten sozialdemokratischer Steuersenkungen. Dies ahnend hatte Gabriel im Vorfeld des Delegiertentreffens nach einem Kompensationsobjekt für die linken Begehrlichkeiten Ausschau gehalten. Den offenen Streit beim Parteitag abwenden sollte die Abgeltungssteuer. Dass unter Mithilfe der SPD einst die Besteuerung von Kapitaleinkünften aus dem progressiven Einkommenssteuersystem herausgelöst und auf eine 25-prozentige Flat-Tax umgestellt wurde, haben viele Sozialdemokraten der Parteispitze bis heute nicht verziehen. Gilt die 25-Prozent-Steuer doch als Steuergeschenk an reiche Kapitalanleger. Gabriels Plan daher: Die Linke verzichtet bei der Abstimmung über das Steuerkonzept an diesem Dienstag auf die Reichensteuer. Dafür beschließt die SPD die Abschaffung der Abgeltungssteuer und die Rückkehr zur progressiven Besteuerung.

Wäre der Plan aufgegangen, wäre die Linke zufrieden gewesen. Allerdings wäre ein künftiger Kanzlerkandidat Steinbrück dadurch beschädigt worden. Steinbrück denkt zwar auch, dass der Steuersatz der Abgeltungssteuer erhöht werden soll. Eine Abschaffung jedoch wäre für ihn eine schwere Niederlage. Dass Gabriel diese Schwächung von Steinbrück bei seiner Idee zunächst billigend in Kauf genommen hat, gilt in der SPD als ausgemacht.

Doch Gabriels Plan droht zu scheitern. Nachdem die dem linken Lager zuzuordnenden SPD-Delegierten die Idee der Abgeltungssteuer geschluckt hatten und bereit waren, auf die Reichensteuer zu verzichten, rief Gabriel beim Treffen des Parteipräsidiums am Samstag die Führungscrew auf, das Steuerkonzept der Partei in der gegenwärtigen Fassung zu unterstützen – ohne Reichensteuer und ohne Abschaffung der Abgeltungssteuer. Teilnehmer der Sitzung berichteten später von „Irritationen über Gabriels Schwenk“. Das Ergebnis: Die Linken wollen am Dienstag, wenn die Steuerpläne beraten werden, ihre Anträge einbringen und auf Abstimmung drängen. Machtprobe nennt man so etwas. Der rechte SPD-Flügel macht Gabriel für den Showdown verantwortlich. Er habe die Tür beim Thema Abgeltungssteuer für die Linke „nicht zugemacht“. Vertreter des linken Flügels versicherten am Sonntag übereinstimmend, Gabriel habe vom Chef der schleswig-holsteinischen SPD Ralf Stegner ein Konzept zur Abschaffung der Abgeltungssteuer eingefordert.

Auch beim zweiten Konflikt, den um die Rente, soll Gabriel anfangs Entgegenkommen signalisiert haben. Angeführt von Ottmar Schreiner fordern die Parteilinken, die Senkung des Rentenniveaus zu stoppen, um drohende Altersarmut zu bremsen. Auch hier warnt die Parteiführung nun vor einem Linksruck. Vor dem Hintergrund der zunehmenden Alterung der Gesellschaft würde ein solcher Schritt die Rentenbeitragssätze für junge Leute in Zukunft anwachsen lassen und damit „das Vertrauen in die Sozialsysteme“ belasten, wie Steinmeier warnte. Auf dem Parteitag soll darüber am Montag debattiert werden. Ob darüber auch abgestimmt wird, ist offen.

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