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SPD-Parteitag: Ordnungsrufe zum Abschied

SPD-Chef Franz Müntefering fordert mehr Parteidisziplin - und wirbt für die Wahl Hubertus Heils zum Generalsekretär. Familienministerin Renate Schmidt übt unterdessen scharfe Kritik am Führungsstil des scheidenden Parteichefs.

Walsrode/Berlin - Führende Sozialdemokraten haben ihre Partei aufgerufen, den Streit um die Verantwortung für den Rücktritt des Parteivorsitzenden Franz Müntefering zu beenden und wieder mehr Disziplin und Geschlossenheit zu zeigen. Familienministerin Renate Schmidt übte allerdings scharfe Kritik am Führungsstil des scheidenden Parteichefs. Müntefering sagte dem Kandidaten für das Amt des SPD-Generalsekretärs, Hubertus Heil, Unterstützung zu. Er werde Heil auf dem Bundesparteitag in Karlsruhe wählen, erklärte der scheidende Parteichef am Samstag bei einem Delegiertentreffen der niedersächsischen SPD in Walsrode. Müntefering reagierte damit auf einen Zeitungsbericht, wonach er sich intern kritisch zur Nominierung Heils geäußert haben soll.

Auf dem Landesparteitag versicherte Müntefering, er habe keine Zweifel, "dass der das kann". Der SPD-Chef räumte allerdings ein, Heil vor der SPD-Bundestagsfraktion für das Scheitern seines Wunschkandidaten für den Generalsekretärsposten, Kajo Wasserhövel, mitverantwortlich gemacht zu haben, in dessen Folge Müntefering seinen Rückzug von der SPD-Spitze angekündigt hatte. "Ich weiß, dass er da mitgewirkt hat, dass es zu so einer Entscheidung kam." Er habe sich vor der Fraktion aber nicht gegen Heils Berufung ausgesprochen. In der Sitzung hatte auch der scheidende Wirtschaftsstaatssekretär Gerd Andres scharfe Kritik an Heil geübt. Wie Müntefering kündigte er am Samstag an, Heil zu unterstützen. "Wir können es uns nicht leisten, uns gegenseitig niederzumachen", sagte er.

Heil hatte vor der Kampfabstimmung über das Amt des Generalsekretärs in einer Telefonschaltkonferenz Unterstützung für Wasserhövels Gegenkandidatin Andrea Nahles organisiert. Daran hatte auch der Bundestagsabgeordnete Garrelt Duin teilgenommen, der in Walsrode für das Amt des SPD-Landesvorsitzenden kandidierte. Müntefering warb vor der Entscheidung der 211 Delegierten eindringlich für Duin: "Sorgt dafür, dass der Garrelt nicht für die Irritationen und Friktionen bezahlen muss." Duin wurde schließlich mit großer Mehrheit gewählt.

Müntefering rief die SPD zu mehr Disziplin auf. "Die Leichtigkeit, mit der gegenüber den Medien und übereinander gesprochen wird, macht uns kaputt." Es sei bedauerlich, dass es kaum noch ein Gremium gebe, in dem offen geredet werde. Er sei stets erreichbar gewesen, sagte er. Auch dürfe der Kurs der SPD nicht von den Flügeln bestimmt werden: "Vergesst nie: Der Kopf ist in der Mitte."

Der stellvertretende Parteichef Kurt Beck kündigte Veränderungen sowohl in der Organisation der SPD als auch im Umgang miteinander an. Die stellvertretenden Parteivorsitzenden sollten aufgewertet werden und der politische Stil solle verändert werden, sagte der rheinland-pfälzische Ministerpräsident am Samstag im Deutschlandradio Kultur. Die Partei sei möglicherweise "an der Schwelle, eine neue Art der politischen Führung zu organisieren".

Müntefering wird nach Einschätzung Becks für seine zentrale Aufgabe als Vizekanzler und Minister für Arbeit eine klare und eindeutige Zustimmung vom Parteitag erhalten. Vorwürfe aus der Partei gegen Andrea Nahles, sie sei eine "Königsmörderin", wies Beck zurück und forderte, dass man ihr eine neue Chance geben müsse. Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit erwartet für sich eine stärkere Rolle in der Bundespolitik. "Weil wir zu meinem Bedauern nicht mehr so sehr viele sozialdemokratische Ministerpräsidenten sind, wächst automatisch das Gewicht des einzelnen Landeschefs", sagte Wowereit.

Der scheidende Finanzminister Hans Eichel will sich aus der SPD-Spitze zurückziehen und nicht mehr für den SPD-Vorstand kandidieren. Die ebenfalls scheidende Familienministerin Schmidt beklagte sich mit drastischen Worten darüber, wie Müntefering die sozialdemokratischen Minister über ihren Amtsverlust in einer großen Koalition informiert habe. "Ich fand es, ganz sanft gesagt, bescheuert", sagte die Politikerin in der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung" über die Art und Weise, wie der SPD-Chef und Kanzler Gerhard Schröder die aussscheidenden Minister der Sozialdemokraten informiert hätten. Erst wenige Minuten vor einer Vorstandssitzung habe sie durch ein Telefonat mit der stellvertretenden Parteichefin Heidemarie Wieczorek-Zeul von der Entscheidung erfahren. "Es gab kein einziges Telefonat vorher von denen, die das Personal ausgesucht hatten", klagte Schmidt. Doch sei es nicht nur ihr, sondern auch den aus ihren Ämtern scheidenden Ministern Otto Schily, Peter Struck, Edelgard Bulmahn und Wolfgang Clement so ergangen. Sie habe beiden Politikern gesagt, "dass ich es nicht in Ordnung finde, so miteinander umzugehen." (has/ddp)

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