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SPD-Parteitag: Wohin führt der Weg die Genossen?

Geschlossenheit heißt das Gebot der Stunde in der SPD. Auf dem Parteitag profitieren davon Gabriel und Nahles.

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Zwei Jahre vor der Bundestagswahl hat die größte Oppositionspartei Anlauf auf das Kanzleramt genommen. Am zweiten Tag ihres Delegiertentreffens in Berlin bestätigten die Sozialdemokraten ihren Vorsitzenden Sigmar Gabriel mit mehr als 90 Prozent im Amt – ein Signal der Geschlossenheit. Zuvor hatte der 52-Jährige seine Partei in einer kämpferischen Rede dazu aufgerufen, ihre Rolle als „organisierende politische Kraft für den Politik- und Regierungswechsel“ anzunehmen. „Denkt mir daran, wir wollen in zwei Jahren wieder regieren – nicht um des Regierens willen, sondern weil wir die Lebensverhältnisse der Menschen verbessern wollen.“

Warum hat Gabriel so gut abgeschnitten?

In den zwei Jahren seiner ersten Amtszeit hat die SPD nicht nur an Selbstbewusstsein gewonnen, sondern ist auch aus sechs Landtagswahlen als stärkste Kraft hervorgegangen. Nach dem Negativrekordergebnis von 23 Prozent bei der Bundestagswahl 2009 war diese Entwicklung keineswegs selbstverständlich. Es war auch Gabriels Leistung, dass sich die Partei nicht in Flügelkämpfen verlor, sondern wieder geschlossener auftrat. Gabriel beendete die quälenden Debatten um die Reformpolitik der Schröder-Zeit, indem er Fehler eingestand und Korrekturen vornahm, ohne völlig mit dem Kurs der Regierungsjahre zu brechen. Die Zweifel in den eigenen Reihen, ob er mit seiner Sprunghaftigkeit und seinem starken Selbstbewusstsein auf Dauer als Teamspieler geeignet sei und innerparteiliche Abmachungen einhalte, konnte er nicht ausräumen. Sie spielen bei der Beurteilung seiner Leistung als Parteichef aber offenbar keine zentrale Rolle. Zum guten Ergebnis beigetragen hat auch der überzeugende Auftritt Gabriels vor den Delegierten: Er erreichte in seiner fast eineinhalbstündigen Rede das Herz seiner Partei.

Was waren seine wichtigsten Botschaften?

Gabriel grenzte die SPD scharf gegen Union und Liberale ab: hier die SPD als Partei für die Menschen, dort CDU/CSU und FDP als Parteien für die Märkte. Angela Merkel schmäht er gar als „marktkonforme Kanzlerin“. Der Unterschied ist für Gabriel eine Grundsatzfrage: „Wir wollen keine marktkonforme Demokratie, wir wollen einen demokratiekonformen Markt!“ Gleichwohl dürfe die SPD nicht nur um die sozial gesinnten Wählergruppen werben, wenn sie 2013 den Machtwechsel erzwingen will. Die Partei müsse auch eine kulturelle Mehrheit erringen und eine wirtschaftliche: „Ohne Wirtschaftskompetenz war die SPD in ihrer Geschichte nie mehrheitsfähig.“ Die SPD müsse sich zudem „auch als Erbe des politischen Liberalismus verstehen“.

Ist er im Kampf um die Kanzlerkandidatur gestärkt?

Der Parteitag sollte nach dem Willen der SPD-Führung nicht der Ort sein, an dem auch nur eine Vorentscheidung über den oder die Kanzlerkandidatur fallen sollte. Neben Gabriel gelten Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier und Ex-Finanzminister Peer Steinbrück als Politiker, die ihre Partei mit Aussicht auf Erfolg in den Bundestagswahlkampf 2013 führen könnten. In seiner Rede stellte es Gabriel so dar, als hätten nur die Medien Interesse an der Kandidatenfrage, obwohl hinter den Kulissen in der SPD eifrig darüber diskutiert und jede politische Aussage der drei auf ihre personalpolitische Bedeutung abgeklopft wird. Unbestritten ist, dass Gabriel als Parteivorsitzender das Vorschlagsrecht hat. Nach Einschätzung führender Sozialdemokraten sowohl vom rechten wie vom linken Flügel hat Gabriel seinen Traum vom Kanzleramt noch nicht aufgegeben – trotz schlechter Beliebtheitswerte in den Umfragen. Mit dem 90-Prozent-Ergebnis auf dem Parteitag hat er sich die Option einer eigenen Kandidatur zumindest offengehalten.

Was bedeutet das Ergebnis für Andrea Nahles?

Die Generalsekretärin der SPD hatte in den vergangenen Jahren keinen leichten Stand: Der umtriebige Parteichef ließ ihr nur wenig Spielraum, gleichzeitig füllte Fraktionsgeschäftsführer Thomas Oppermann in den Medien jene Lücke, für die Nahles von vielen Parteifreunden verantwortlich gemacht wurde. Fast symptomatisch war es, dass Gabriel auf dem Parteitag 90 Minuten redete, Nahles aber nur neun. Kritiker sahen sich in ihrem Urteil bestätigt, wonach Auftritte vor großem Publikum nicht die Stärke Nahles’ seien. Die Generalsekretärin habe es nicht vermocht, der Partei mit kämpferischen Medienauftritten in der Tagespolitik Geltung zu verschaffen, sagen viele Sozialdemokraten. Außerdem rückte die frühere Frontfrau des linken Parteiflügels mit der neuen Aufgabe zwangsläufig in die Mitte. Damit verlor sie Rückhalt bei ihrer eigenen Machtbasis. Ein führender SPD-Politiker sagt: „Die Rechten hassen sie, und die Linken lieben sie nicht mehr.“ Gemessen daran fiel das Ergebnis für Nahles mit reichlichen 73 Prozent noch gut aus. Sie legte gegenüber der Wahl von 2009 sogar vier Prozentpunkte zu. Dennoch dürfte ihr klar sein, dass das Votum auch dem Willen des Parteitags geschuldet war, das Bild der Geschlossenheit nicht zu beschädigen. Nahles ist damit weiter eine Generalsekretärin auf Bewährung.

Was stand im Rentenstreit für die SPD auf dem Spiel?

Nicht weniger als die Regierungsfähigkeit. So sahen es zumindest die führenden Genossen. In ihren Augen hätte der Antrag des von Ottmar Schreiner geführten Arbeitnehmerflügels, die Rente auf dem gegenwärtigen Niveau einzufrieren, einen völligen Bruch mit der Rentenpolitik der SPD-Regierungsjahre bedeutet. Dennoch stieß der Chef des sozialdemokratischen Arbeitnehmer zunächst auf große Zustimmung unter den Delegierten, als er am Abend für sein Modell warb. SPD-Chef Gabriel musste deshalb persönlich in die Debatte eingreifen. Er warnte unter Verweis auf 20 Milliarden zusätzliche Kosten pro Jahr vor einem „gigantischen Fehler“. Die SPD dürfe nicht in Reflexe einer Oppositionspartei zurückfallen, forderte der Parteichef. Der Parteitag folgte daraufhin der Empfehlung der Parteispitze und verwies Schreiners Pläne mit großer Mehrheit zur Beratung in eine neuerliche Rentenkommission.

Was bedeutet die Abstimmung über das Finanzkonzept vom Dienstag für die Kandidatenfrage?

Gerhard Schröder hält nichts von Steuererhöhungen. Was die Parteispitze als maßvollen Schritt zur Beteiligung der Besserverdienenden und Vermögenden an den Kosten der Krise vorschlägt, verurteilt der Altkanzler kurzerhand als falsch. Den SPD-Linken hingegen geht die geplante Anhebung des Spitzensteuersatzes von 42 auf 49 Prozent nicht weit genug. Sie wollen zusätzlich eine Reichensteuer von drei Prozentpunkten, was den Spitzensteuersatz auf 52 Prozent treiben würde. Alternativ würden sich die Linken auch mit der Abschaffung der Abgeltungssteuer von pauschal 25 Prozent auf Kapitalerträge zufriedengeben. Bei der Besteuerung von Kapitalerträgen soll künftig die gleiche Progression gelten wie bei der Einkommensteuer. Das wäre für allem für den früheren Finanzminister Peer Steinbrück ein schwerer Schlag, der die „Flattax“ von 25 Prozent zu Zeiten der großen Koalition eingeführt hatte. Genau das, so der Verdacht mancher Genossen, sei das eigentliche Ziel des linken Flügels.

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