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SPD-Politiker Niels Annen: „Der zivile Aufbau muss gestärkt werden“

SPD-Außenpolitiker Niels Annen über die Kritik am Antiterrorkampf und den Generalinspekteur.

Herr Annen, beeinflusst das Geiseldrama Ihre Haltung zum Bundeswehreinsatz in Afghanistan, über den der Bundestag im Herbst entscheidet?

Es wäre völlig falsch, daraus nun den Schluss zu ziehen, dass wir uns aus Afghanistan zurückziehen müssten. Wir dürfen uns nicht aus der Verantwortung stehlen. Dieser Entführungsfall schafft keine neue politische Situation. Er zeigt nur in dramatischer Weise, dass wir in Afghanistan große Probleme haben.

Die Bundesregierung will die Zahl der deutschen Soldaten in Afghanistan erhöhen – gehen Sie da mit?

Der Einsatz für den zivilen Aufbau Afghanistans muss gestärkt werden. Es wäre verheerend, wenn wir auf die Probleme in dem Land nur reagieren würden, indem wir mehr Militär schicken. Allein mit mehr Soldaten werden wir die Sicherheitslage nicht in den Griff bekommen.

Unter der Bedingung, dass die zivile Hilfe verstärkt wird, stimmen Sie zu?

Das hängt davon ab, wie ein Konzept für die Stärkung des zivilen Aufbaus aussieht. Statt nur die Truppen zu verstärken, sollten wir dafür sorgen, dass der Militäreinsatz in Afghanistan nicht neue Probleme schafft. Die mit der Internationalen Schutztruppe für Afghanistan (Isaf) unabgestimmten Antiterroreinsätze im Rahmen der US-geführten „Operation Enduring Freedom“ (OEF) kosten immer mehr Zivilisten das Leben. Das treibt den Taliban neue Anhänger zu.

Was sagen Sie zur Warnung der Bundesregierung, ein Rückzug aus OEF schade Deutschland im Bündnis?

Ein Rückzug würde Deutschland nicht schaden. Im Jahr 2001 war es richtig, dass Deutschland in Afghanistan an der Antiterroroperation OEF teilnahm. Es gab ein klares Ziel, nämlich die Ausbildungslager von al Qaida in Afghanistan zu zerstören. Dieses Ziel ist erreicht. Ich zweifle allerdings daran, dass man sich sechs Jahre nach dem 11. September 2001 noch auch das Recht zur Selbstverteidigung berufen kann, das damals den Einsatz rechtfertigte.

Was kann die Regierung tun, damit sich bei der Mandatsverlängerung wie bei der Abstimmung über den Tornado-Einsatz nicht ein Drittel der SPD-Fraktion verweigert?

Die Kanzlerin wäre gut beraten, sich nicht vorzeitig festzulegen. Der Bundestag muss einen Antrag der Regierung zur Verlängerung dieses Auslandseinsatzes billigen, darf ihn selbst aber nicht verändern. Nur wenn die Bundesregierung vor der Formulierung ihres Antrags auf das Parlament eingeht, kann sie das Parlament überzeugen. Das gilt auch für den Generalinspekteur der Bundeswehr, Wolfgang Schneiderhan. Es hinterlässt einen faden Beigeschmack, wenn er öffentlich eine Beteiligung an der Antiterroroperation OEF in Afghanistan für notwendig erklärt. Der Generalinspekteur sollte wissen, dass nicht die Bundeswehr, sondern allein der Bundestag über Auslandseinsätze entscheidet.

Die Fragen stellte Hans Monath.

Niels Annen ( 34) ist einer der Wortführer der Parteilinken in der SPD-Fraktion. Schon als Juso-Chef (2001 bis 2004) beschäftigte sich der Hamburger mit außenpolitischen Fragen.

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