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Politik: SPD-Spendenaffäre: Verkehrte Welt

Eins muss man Andreas Schmidt lassen: Aus dem kleinen Einmaleins der Verschwörungstheorie hat sich der CDU-Obmann im Spenden-Untersuchungsausschuss von den Herren auf der anderen Seite einiges abgeschaut. Ob es richtig sei, dass der SPD-Bezirk Westliches Westfalen 1984 dem Landesverband einen Kredit von 6,5 Millionen Mark gegeben habe?

Von Robert Birnbaum

Eins muss man Andreas Schmidt lassen: Aus dem kleinen Einmaleins der Verschwörungstheorie hat sich der CDU-Obmann im Spenden-Untersuchungsausschuss von den Herren auf der anderen Seite einiges abgeschaut. Ob es richtig sei, dass der SPD-Bezirk Westliches Westfalen 1984 dem Landesverband einen Kredit von 6,5 Millionen Mark gegeben habe? Franz Müntefering guckt den Fragesteller an, als wäre der ein seltenes Insekt. Der SPD-Generalsekretär war seinerzeit im Vorstand jenes SPD-Bezirks, ab 1992 als Vorsitzender. Aber was Schmidts Wissbegier mit dem Kölner Spendenskandal zu tun haben könnte, ist am Donnerstag im Sitzungssaal der Katholischen Akademie nicht nur Müntefering schleierhaft. Nur Schmidt versichert: "Das hat schon alles seine Gründe, weshalb ich das frage."

Wer den Spenden-Ausschuss des Bundestages öfter erlebt hat, weiß, dass dies quasi ein Zitat ist. Mit solchen Sätzen pflegte der Grüne Christian Ströbele merkwürdige Fragen an CDU-Zeugen zu begründen - um hinterher aus dem verblüfften Schweigen der Befragten ein Verdachtsmoment zu destillieren. Diesmal ist aber der SPD-Generalsekretär im Zeugenstand - wegen eines SPD-Skandals. Darum herrscht verkehrte Welt: Die Union übt sich im Angriff, die SPD versucht sich in der Verteidigung. Deren Tonfall gibt der Zeuge selbst in seiner Eingangserklärung vor. Nach 18 Tagen sei die SPD in der Aufklärung weiter als die CDU nach 27 Monaten: "Die CDU hat aus Kumpanei versagt vor der Aufgabe, Helmut Kohl zur Nennung der Spender zu veranlassen", schnarrt der Sauerländer.

Zum Thema Online Spezial: Die SPD-Spendenaffäre Dass Müntefering so forsch auftreten kann, verdankt er ausgerechnet dem Ex-Genossen Rüther. Sei es unter dem Druck der von der SPD angestrengten Auskunftsklage, sei es aus wohlverstandenem Eigeninteresse - jedenfalls pünktlich zum Tag des Zeugentermins hat der frühere Chef der Kölner SPD-Ratsfraktion an die Bundespartei eine Liste seiner ominösen Spender übersandt: Neun Personen zwischen 1994 und 1999, Gesamtsumme 830 000 Mark. Als größter Spender steht der Gummersbacher Anlagenbauer Steinmüller verzeichnet, gefolgt vom Müllentsorger Trienekens. Aber auch Bau-Riesen wie Hochtief und Bilfinger und Berger sollen ohne Quittung spendabel gewesen sein - was letzterer allerdings bestreitet. Rüther wiederum will mit der Praxis seines Ex-Schatzmeisters Biciste, die großen Summen zu stückeln und 42 SPD-Mitglieder als Schein-Klein-Spender mit getürkten Spendenquittungen auszustatten, "nicht befasst" gewesen sein.

Nicht befasst, versichert Müntefering, war er auch in seiner Zeit als Landesvorsitzender mit den Finanzen der Kölner. Dies habe mit der in Bezirke gegliederten Struktur der SPD zu tun. Deshalb hätte er das Fehlverhalten "Einzelner" selbst theoretisch gar nicht erkennen können. Das leuchtet durchaus ein. Auch wenn es schon komisch ist, wie wenig so ein SPD-Landeschef und so ein SPD-Generalsekretär offenbar erfährt. "Das weiß ich nicht, und das muss ich auch nicht wissen", sagt Müntefering oft.

Gäbe es gegen ihn auch nur den Hauch eines Verdachts, reichte solches Nichtwissen für Schlagzeilen. So reicht es nur für einen zornigen CDU-Obmann Schmidt. "Der Verdacht liegt ganz klar auf der Hand, dass die SPD in Nordrhein-Westfalen bestechlich ist", sagt er nach der Vernehmung draußen vor dem Saal in die Kameras und kündigt weitere Zeugenvernehmungen an. Nicht zuletzt Müntefering müsse noch einmal wiederkommen, wenn der Ausschuss die Akten habe. Die Zentralfiguren des Kölner Skandals - Rüther, Biciste, Trienekens - sind schon mit festen Terminen geladen. "Wenn das so weiter geht", stöhnt ein Ausschüssler, "ist unsere letzte Sitzung am 21. September." Ein Terminplan, gegen den die Union vermutlich nichts einzuwenden hätte.

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