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SPD und Linkspartei: Linke Markenpiraten

Konkurrenz bei der Suche nach neuen Mehrheiten: Schon längere Zeit gibt es einen linken Zirkel, in der sich Bundestagsabgeordnete von SPD, Linken und Grünen austauschen. Andrea Ypsilanti und Katja Kipping gründeten jetzt noch einen - unter demselben Namen.

Von Matthias Meisner

Berlin - Die linke Gemeinsamkeit beginnt mit einer Gemeinheit. Als „Denkwerkstatt“ stellten zu Wochenbeginn die frühere hessische SPD-Chefin Andrea Ypsilanti und die Vizevorsitzende der Linkspartei, Katja Kipping, ihr Institut Solidarische Moderne vor, das dem linken Parteienspektrum wieder zur politischen Mehrheit in demokratischen Wahlen verhelfen soll. Und übten sich damit in Markenpiraterie: Denn als "Denkfabrik" firmiert bereits seit 2004 ein linker Zirkel in der SPD-Bundestagsfraktion, der seit gut einem Jahr junge Abgeordnete von SPD, Linkspartei und Grünen ins Gespräch bringt. Geschäftsführerin dort: Angela Marquardt, frühere stellvertretende Vorsitzende der PDS, inzwischen organisiert in der SPD.

„Das hat mich nicht wirklich amüsiert“, sagt Marquardt. Sie findet nicht gut, wenn „das rot-rot-grüne Projekt anfängt, sich über Ausgrenzungsstrategien zu konstituieren“ und beobachtet derzeit „viele Konkurrenzveranstaltungen“. Erst vor zehn Tagen, gleich nach dem von Oskar Lafontaine angekündigten Rückzug aus der Bundespolitik, war Marquardts Netzwerk mit einem Aufruf „Das Leben ist bunter“ an die Öffentlichkeit gegangen, mit dabei unter anderem Linken-Vizechefin Halina Wawzyniak sowie die Bundestagsabgeordneten Frank Schwabe (SPD) und Anton Hofreiter (Grüne). Erklärtes Ziel: „Erörtern, wie es zu gesellschaftlichen und perspektivisch auch zu parlamentarischen Mehrheiten jenseits von CDU/CSU und FDP kommen kann.“

Kipping war nicht eingeladen, bei dieser Denkfabrik mitzumachen – und so gründete sie eine eigene. Und ist überzeugt, dass deren Spektrum deutlich größer ist. Zum einen würden Vertreter aller Parteiflügel angesprochen, zum anderen auch viele Wissenschaftler und Intellektuelle. Viele hundert Leute seien bereits eingetreten, berichtet Kipping, verweist unter anderem auf den Theologen Friedrich Schorlemmer und den „Prinzen“-Sänger Sebastian Krumbiegel. „Abgrenzungsrituale“ bestreitet Kipping, nennt das neue Institut aber ausdrücklich offener: „Jeder kann ins Internet gehen und Mitglied werden.“ Der Wochenzeitung „Freitag“ erläuterte sie, es gehe um eine Erweiterung der Gesprächstradition: „Bisher sind Parlamentarier oft beim Latte macchiato unter sich geblieben.“ Sie dagegen will Diskussionen ermöglichen, „die das alltägliche Hamsterrad der Alltagspolitik verlassen“.

Der „Freitag“ selbst sieht sich als eine wichtige Plattform der Debatte über Annäherungen und beobachtet gerade eine „Welle von Crossover“. Chefredakteur Philip Grassmann begrüßt das, denn: „Es gibt viel zu diskutieren. Bisher wurde zu viel von Machtoptionen und zu wenig von Inhalten gesprochen. Das muss sich ändern.“ Auch der frühere Linken-Europaabgeordnete André Brie, selbst vernetzt mit Funktionären von SPD und Grünen und auch vielen Wissenschaftlern, sagt, bisher ergänzten sich die verschiedenen Initiativen „ganz gut“. Er gibt aber zu, dass die wichtigsten Protagonisten der Crossover-Debatte oft die größten Probleme mit den Leuten aus ihren eigenen Parteien hätten. Da läuft es „offenkundig gegeneinander“, sagt er.

In jedem Fall bringt die Rolle von SPD, Linkspartei und Grünen in der Opposition unerwartete Begegnungen. Für Mittwochabend hatte die Linken-Bundestagsfraktion ihre Kommunistin Sahra Wagenknecht mit Ypsilanti auf ein Podium in Halle gebeten. Die beiden Frauen sollten über „verschiedene Formen des Neubeginns“ in Ost und West reden. Wagenknecht war ein wenig überrascht, dass Ypsilanti zusagte. Ihre Erklärung: In der SPD hat die Hessin nichts mehr zu verlieren.

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