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SPD-Vize Aydan Özoguz.

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SPD-Vize Aydan Özoguz: "Wir wollen keine rechtsfreien Räume"

Die SPD-Vize Aydan Özoguz im Interview mit Tagesspiegel-Online über Integration, doppelte Staatsbürgerschaft und die Fehler von Heinz Buschkowsky.

Von Hans Monath

Frau Özoguz, welchen Stellenwert will die SPD im Bundestagswahlkampf der Integrationspolitik geben?

Die Integrationspolitik hat für uns einen sehr hohen Stellenwert. Hier gibt es viel zu tun, vor allem in den Bereichen frühkindliche Bildung, Schule, Weiterbildung und berufliche Ausbildung. In unserem Wahlprogramm werden wir auch die doppelte Staatsbürgerschaft fordern.

SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück ist bislang nicht im integrationspolitischen Initiativen hervorgetreten. Hat er wirklich Verständnis für dieses Thema?

Peer Steinbrück ist ein hervorragender Kenner Europas. Er weiß um die hohe Arbeitslosigkeit in anderen EU-Ländern und um deren Ursachen. Er weiß sehr genau, wie der Arbeitsmarkt bei uns funktioniert. Ich bin deshalb überzeugt, dass Peer Steinbrück auch auf dem Feld der Integrationspolitik richtige Entscheidungen treffen wird – sowohl bei der Ausbildung von Migranten in Deutschland als auch bei der Steuerung der Zuwanderung aus den europäischen Ländern.

Wie will die SPD Zuwanderung steuern – vor allem vor dem Hintergrund von Befürchtungen deutscher Kommunen vor massiver Armutszuwanderung?

Die Lösung der wirtschaftlichen Krise in vielen europäischen Ländern ist sicher eine der vordringlichsten Aufgabe. Die größte Zuwanderung nach Deutschland kommt derzeit aus den EU-Mitgliedstaaten – das sind Polen, Rumänen, Bulgaren und Ungarn, denen es frei steht, bei uns nach Arbeit zu suchen. Daneben gibt es auch Zuwanderung aus Nicht-EU-Mitgliedstaaten, z.B. aus Serbien und Mazedonien. Diese Menschen haben kaum Chancen auf einen Aufenthaltstitel.

Das Thema Integration wird auch innerhalb der SPD heftig debattiert. Der Neuköllner Bezirksbürgermeister Heinz Buschkowsky sagt, die doppelte Staatsbürgerschaft erleichtere Kriminalität und wecke die Begehrlichkeit von „Rosinenpickern“, die Vorteile im deutschen Sozialsystem abgreifen wollten. Hat er Recht?

In 19 europäischen Staaten gibt es die doppelte Staatsbürgerschaft und trotzdem entstehen dort keine rechtsfreien Räume. Das wollen wir auch nicht. Wir wollen aber der Lebenswirklichkeit der Menschen entgegenkommen. Oft wird übersehen: Auch in Deutschland leben schon Millionen von Menschen ganz legal mit einer doppelten Staatsbürgerschaft. Wir wollen das zur Normalität machen. Deshalb gehört auch die geltende Optionspflicht abgeschafft.

Warum ist dieses Instrument so wichtig?

Die doppelte Staatsbürgerschaft ist wichtig für viele Menschen, die hier leben, aber in anderen Ländern noch ihre Wurzeln und Verbindungen haben. Die doppelte Staatsbürgerschaft hilft auch bei der bürokratischen Bewältigung  vieler Anliegen. Das reicht von der Beerdigung der Eltern oder Großeltern bis hin bis zu Besitz- und Vermögensfragen.

Die FDP macht sich nun stark für die doppelte Staatsbürgerschaft. Wird sie dadurch für die SPD als Partner attraktiv?

Die FDP ist bei diesem Thema vollkommen unglaubwürdig. Wir haben im Bundestag eine Debatte über die doppelte Staatsbürgerschaft geführt. Wenn die FDP damals mit der Opposition gestimmt hätte, hätten wir die doppelte Staatsbürgerschaft im Bundestag beschließen können. Die FDP hat sich aber verweigert. Ein halbes Jahr vor der Wahl will sie das Thema nun besetzen. Das ist durchsichtig. Wir setzen auf Rot-Grün, nicht auf die FDP.

Die SPD debattiert auch über neue Rahmenbedingungen für Asylbewerber. Was ist ihre Position?

Die Residenzpflicht entspricht nicht der Lebenswirklichkeit von Asylbewerbern. Wir wollen, dass sie Angehörige und Bekannte besuchen oder etwa in Sportvereinen Kontakt zu den hier lebenden Menschen pflegen können, das darf nicht an Verwaltungsgrenzen scheitern. Auf der anderen Seite sollen sich Asylbewerber nicht nur auf wenige Ballungszentren konzentrieren. Deshalb halte ich das Instrument der Wohnortzuweisung für eine gute Alternative zur Residenzpflicht.

Aydan Özoguz (45) ist stellvertretende SPD-Bundesvorsitzende, Bundestagsabgeordnete aus Hamburg und Integrationsbeauftragte der SPD-Bundestagsfraktion. Das Gespräch mit ihr führte Hans Monath.

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