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NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) hat eine Koalition mit der Linken unter ihrer Führung ausgeschlossen.

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Update

SPD vor den Wahlen: Hannelore Kraft schließt eine Koalition mit der Linken aus

Die Ministerpräsidentin will in NRW kein Bündnis mit der Linken. Zuvor hatte SPD-Chef Schulz indirekt R2G auch für nach der Bundestagswahl in Frage gestellt. Warum viele in der SPD auf Abstand zur Linken gehen. Eine Analyse.

Von
  • Matthias Meisner
  • Hans Monath

Den Begriff Linkspartei sprach Martin Schulz vor der Industrie- und Handelskammer (IHK) Berlin nicht aus. Aber er ging deutlich auf Distanz zu Rot-Rot-Grün im Bund. Unter seiner Führung werde es „nur eine Koalition geben, die proeuropäisch ist und die ökonomische Vernunft walten lässt“, versprach der SPD-Kanzlerkandidat.

Die Botschaft war auch für sein Publikum am Montag gedacht: Mit Bausteinen eines SPD-Wirtschaftsprogramms versuchte der Kanzlerkandidat, vor Unternehmern zu beweisen, dass seine Partei nicht nur von sozialer Gerechtigkeit etwas versteht, sondern auch über ökonomische Kompetenz verfügt. Schulz weiß, dass gewichtige Vertreter der Wirtschaft massive Vorbehalte gegen Rot-Rot-Grün im Bund hegen.

Auch in der SPD-Spitze hatten nach der Saarland-Wahl einige gefordert, keinen Anlass mehr für Spekulationen über eine Zusammenarbeit mit der Linkspartei nach der Bundestagswahl zu schaffen. Der Grund: Im Saarland hatte die SPD auf ein Bündnis mit der Partei Oskar Lafontaines gesetzt – und damit die Anhänger der CDU mobilisiert. Diese Erfahrung stellt Schulz und seine Partei im Bundestagswahlkampf vor ein Dilemma: Lassen sie die rot-rot-grüne Option zu, hilft das womöglich der Union. Ohne die Stimmen der Linkspartei aber gibt es nach dem derzeitigen Stand der Umfragen keine Machtoption. Rot und Grün liegen gemeinsam gerade deutlich unter 40 Prozent.

Vor wenigen Wochen versuchte die SPD-Spitze schon, ein Treffen von Vertretern der SPD, der Linkspartei und der Grünen („Trialog“) in Berlin zu verhindern, an dem unter anderen Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller teilnahm. Im Willy-Brandt-Haus hielt man es nicht für hilfreich, die Linkspartei als potenziellen Koalitionspartner aufzuwerten, während zeitgleich NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft den Einzug dieser Kraft in den Landtag Ende dieser Woche verhindern will. Auch eine Koalition mit den Linken schließt sie ausdrücklich aus. "Mit mir als Ministerpräsidentin wird es keine Regierung mit Beteiligung der Linken geben", erklärt sie am Mittwoch im WDR. Auch hatte Müller seine Koalition mit Linkspartei und Grünen nicht als Vorbild angepriesen, wie Teilnehmer berichteten, sondern die Schwierigkeiten eines solchen Dreierbündnisses betont.

SPD-Linke nimmt Distanzierung gelassen auf

Der Seeheimer Kreis, in dem der rechte Flügel der SPD organisiert ist, wollte die Distanzierung des Parteichefs nicht kommentieren. „Seeheimer“ sind keine Freunde von Rot-Rot-Grün, bemühen sich aber meist um strengste Loyalität zum Parteichef.

Die Linke in der SPD nahm den Satz des Parteichefs betont gelassen auf. „Das ist nichts Neues“, sagte Fraktionsvize Axel Schäfer: „Martin Schulz sagt das, was alle Sozialdemokraten sagen: Alle Koalitionspartner in einer SPD-geführten Regierung müssen verlässlich sein.“

Die Befürworter von Rot-Rot-Grün in der Partei dürften sich auch im Wahljahr weiter darum bemühen, Hindernisse auf dem Weg zu ihrem Wunschbündnis zu beseitigen. Aus der Sicht der Mehrheit in der SPD ist die Linkspartei heute nicht regierungsfähig, weil sie Europa infrage stellt und jeden Auslandseinsatz ablehnt. „Deutschland kann als wirtschaftlich starkes Land im Herzen Europas nur von Parteien regiert werden, die sich zur EU, zum Euro, zur Nato und den daraus folgenden Verpflichtungen bekennen“, erklärte Parteivize Olaf Scholz kürzlich.

Die Linkspartei ist enttäuscht

Mächtig verärgert war die Linken-Parteivorsitzende Katja Kipping nach der Schleswig-Holstein-Wahl – weniger wegen der Äußerungen von Martin Schulz, sondern wegen der seines Stellvertreters Ralf Stegner: „Ernüchternd“ und „armselig“ nannte es Kipping, dass sich der SPD-Linke Stegner, Landes- und Fraktionschef in Schleswig-Holstein, über das Scheitern der Linken an der Fünfprozenthürde gefreut hatte. Ihr Scheitern sei offenbar „Stegners letztes Viagra“, lästerte Kipping.

Tatsächlich ist es der Linkspartei bisher nie gelungen, im Westen der Republik ein rot-rotes oder rot-rot-grünes Regierungsbündnis zu schmieden. Entsprechende Vorstöße hatte es unter anderem in Hessen gegeben. Zuletzt war in diesem Jahr der – in der SPD noch immer geschmähte – Ex-Linken-Chef Oskar Lafontaine mit diesem Ziel in den saarländischen Landtagswahlkampf gegangen.

Doch mit Blick auf die Bundestagswahl und eine mögliche neue Bundesregierung gibt die Linkspartei Rot-Rot- Grün nicht auf. Noch vor Wochen, nach der Ernennung von Schulz zum SPD- Kanzlerkandidaten und seiner Wahl zum Parteichef, hatten sich führende Linke Hoffnung gemacht, nach der Bundestagswahl könnte es ein solches Bündnis geben. Und Rot-Rot-Grün gilt noch immer als reale Machtperspektive für Schulz. Denn nichts spricht dafür, dass der neue SPD-Vorsitzende den Leipziger SPD-Bundesparteitagsbeschluss von 2013 wieder kassieren will, der ausdrücklich auch Koalitionen mit der Linken für möglich erklärt.

So wehrt sich auch der Vorsitzende der Linken-Bundestagsfraktion, Dietmar Bartsch, gegen die Interpretation, die Aussagen von Schulz am Montag vor der IHK als Absage an die Linke zu werten. „Da kann er uns nicht mit meinen, denn wir stehen für wirtschaftliche Vernunft und sind proeuropäisch“, sagte Bartsch dem Tagesspiegel: „Ich fühle mich nicht angesprochen.“ Enttäuscht vom SPD- Chef ist Bartsch aber trotzdem: „Die von Martin Schulz nach vorn gestellten Begriffe wie Würde und Gerechtigkeit sind bisher nicht untersetzt worden.“ Und: „Schulz hat seinen Ansatz, sich vor allem um die SPD zu kümmern, viel zu schnell verlassen und ist in die Unstetigkeit seines Vorgängers zurückgefallen.“

Riexinger: Wir wollen die SPD nach links drängen

Anders als in Bundesländern wie Thüringen, Brandenburg und Berlin, wo die Linke derzeit mehr oder weniger reibungslos mit der SPD (in Thüringen und Berlin auch mit den Grünen) gemeinsam regiert, werden in der SPD außenpolitische Differenzen als Hindernis für Rot- Rot-Grün im Bund genannt, gepaart nicht selten mit personifizierter Kritik an Sahra Wagenknecht, Ko-Fraktionschefin von Bartsch und Spitzenkandidatin zur Bundestagswahl.

Die Linke versucht seit einiger Zeit, das anders darzustellen. Ex-Fraktionschef Gregor Gysi argumentiert, auch die SPD wisse, dass die Kriege in Afghanistan, im Irak und in Libyen falsch gewesen seien. Weitaus größere Probleme gebe es in der Sozialpolitik, zum Beispiel beim Thema Rente. Wagenknecht wirbt mit dem Argument, mit der Linken könne die SPD eine ganze Reihe von Forderungen umsetzen, die mit CDU/CSU nicht realisierbar seien – in der Steuerpolitik, aber zum Beispiel auch gegen Wohnungsnot oder Pflegenotstand. Die Meinungsverschiedenheiten über die Nato – die Linke will deren Auflösung – hält sie für überbrückbar: „Spricht nicht alles dafür, dass Europa eine eigenständigere Außenpolitik machen muss, die auf Entspannung des Verhältnisses zu Russland setzt?“

Zugeständnisse im Wahlkampf wird es von der Linken kaum geben. Parteichef Bernd Riexinger formuliert: „Wir wollen die SPD nach links drängen und nicht von denen in die Mitte gedrängt werden.“

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