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Flagge zeigen. Der Teilnehmer einer europafeindlichen Demonstration von Neonazis am Wochenende in Frankfurt/Oder trägt eine Fahne mit dem Wappen des Landes Brandenburg. An der Veranstaltung einer rechten Kameradschaft nahmen auch mehrere NPD-Funktionäre teil. Auch die mögliche Verbindung der NPD zu terroristischen Gruppen gerät immer mehr ins Visier der Ermittler - es gibt neue Anhaltspunkte, dass die Thüringer Terrorzelle einem heutigen NPD-Abgeordneten Geld spendete. Foto: Patrick Pleul/dpa

© dpa

Politik: Spendete Terrorgruppe für Neonazis?

Der Verdacht erhärtet sich: Ein NPD-Abgeordneter des Schweriner Landtags soll 2002 Geld vom NSU bekommen haben.

Von Frank Jansen

Berlin - Die Thüringer Terroristen mordeten, sprengten, raubten – und möglicherweise haben sie Neonazis mit Spenden geholfen. Sicherheitsexperten vermuten, die Gruppe „Nationalsozialistischer Untergrund“ (NSU) könnte einen Teil der bei 14 Banküberfällen erbeuteten 618 000 Euro an „Kameraden“ weitergereicht haben – zur Förderung einschlägiger Aktivitäten wie der Herstellung milieutypischer Hetzschriften. Für den Verdacht gibt es nun einen konkreten Anlass. Die Sicherheitsbehörden prüfen nach Informationen des Tagesspiegels, ob eine bizarre Danksagung in einem Szeneblatt die Reaktion auf finanzielle Zuwendungen durch die Terroristen war.

Im Jahr 2002 stand, wie berichtet, im Vorwort von Nummer 18 (Ausgabe 1/2002) der Postille „Der Weisse Wolf“ der mit dunklen Linien und Fettschrift hervorgehobene Satz, „Vielen Dank an den NSU, es hat Früchte getragen;-) Der Kampf geht weiter ...“. Die inzwischen eingestellte Heftreihe kursierte damals bei Neonazis in Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg. Als mutmaßlicher Blattmacher gilt David Petereit, seit 2011 Abgeordneter der NPD im Mecklenburger Landtag. Petereit, 2002 noch kein NPD-Mitglied, behauptet, der Satz sei ihm „weder bekannt noch erinnerlich“.

Nach Ansicht von Sicherheitsexperten könnte die NSU-Parole die Reaktion auf eine Spende der Terroristen sein, mit der die Herstellung des Heftes Nummer 18 finanziert wurde – oder ein zynisches Lob für die Verbrechen, die der NSU bis dahin begangen hatte. Die Bande hatte bis Anfang 2002 bereits vier türkische Kleinunternehmer erschossen, einen Sprengstoffanschlag sowie vier Banküberfälle verübt. Dabei erbeutete der NSU mehr als 182 000 D-Mark (91 000 Euro). Von dem Geld, sagen Experten, sei womöglich ein Betrag für „Der Weisse Wolf“ abgezweigt worden. Diese Variante gilt eher als „plausibel“, weil sie durch ein Indiz gestützt wird.

Die Polizei fand im Brandschutt des Hauses, das die als NSU-Terroristin verdächtige Beate Zschäpe am 4. November 2011 angezündet haben soll, eine Festplatte mit brisantem Inhalt. Eine Datei mit dem Titel „NSU Brief.cdr“ enthält einen Aufruf, der offenkundig an Sympathisanten im rechtsextremen Spektrum gerichtet war oder werden sollte. Da heißt es in Großbuchstaben, „Verbote zwingen uns Nationalisten immer wieder nach neuen Wegen im Widerstandskampf zu suchen. Verfolgung und Strafen zwingen uns anonym und unerkannt zu agieren. Der Nationalsozialistische Untergrund verkörpert die neue politische Kraft im Ringen um die Freiheit der deutschen Nation. (. . .) Die Aufgaben des NSU bestehen in der energischen Bekämpfung der Feinde des deutschen Volkes und der bestmöglichen Unterstützung von Kameraden und nationalen Organisationen“.

Schon der letzte Halbsatz, die angekündigte „bestmögliche Unterstützung von Kameraden“, passt nach Meinung von Sicherheitsexperten zur Theorie, Petereit und damit „Der Weisse Wolf“ hätten von einer Spende der Terrorgruppe profitiert. Aber der NSU wird in dem Aufruf noch deutlicher. Am Ende steht, „Beachte: Beiliegende Unterstützungen ziehen keinerlei Verpflichtungen nach sich“. Mit „beiliegende Unterstützungen“ seien wahrscheinlich Geldscheine gemeint, sagen Experten.

Fragen zum Dank an den NSU in „Der Weisse Wolf“ weicht Petereit aus. In einer Mitteilung der NPD-Fraktion wird der abenteuerlich klingende Verdacht geäußert, der Verfassungsschutz habe über einen V-Mann das Blatt mitfinanziert.

Die Bundesanwaltschaft wird sich mit Petereit befassen. Er steht auch so schon unter Druck. Im April will der Landtag nach Informationen des Tagesspiegels zum zweiten Mal die Immunität des rechtsextremen Abgeordneten aufheben.

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