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Politik: Spiel auf Zeit

Die Union lehnt die geplante Positivliste für Arzneien ab – und hält auch nichts von schnellen Konsensgesprächen

Die Union lässt die Bundesregierung bei der geplanten Gesundheitsreform zappeln: Auf schnelle Konsensgespräche im Bundestag wollen sich CDU und CSU nicht einlassen. Der hessische Ministerpräsident Roland Koch (CDU) drohte außerdem mit einer Blockade, falls Rot-Grün die Positivliste für Arzneimittel gegen den Willen der Union durchsetzen sollte. „Wir werden die Positivliste nicht isoliert betrachten“, kündigte Koch am Freitag an. Mit der Mehrheit der unionsdominierten Länder sprach sich der Bundesrat gegen die umstrittene Positivliste aus.

Damit verfolgt die Union erneut eine Strategie, mit der sie bereits im vergangenen Jahr bei den Hartz-Gesetzen zum Arbeitsmarkt erfolgreich war: Verhandelt wird nur über ein Gesamtpaket, nicht über die zustimmungspflichtigen Teile. Im Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat hatte die Union damals auf diese Weise noch zahlreiche Änderungen durchsetzen können.

Die momentane Situation ist vergleichbar: Die Positivliste, mit der die Zahl der Medikamente, die die Krankenkassen bezahlen müssen, um die Hälfte reduziert werden soll, kann auch ohne Zustimmung des Bundesrats in Kraft treten. In großen Teilen ist Rot-Grün bei der Gesundheitsreform aber auf die Kooperationsbereitschaft der Union angewiesen. Wenn die Bundesregierung den Gesetzentwurf aufsplitten würde, könnte sie fast nur die Finanzierungsseite anpacken. Sprich: die Zuzahlungen erhöhen, Praxisgebühren beim Facharztbesuch einführen und das Krankengeld ausgliedern. Kern des Gesetzentwurfs ist aber, die Versorgungsstrukturen im Gesundheitswesen zu ändern. Außerdem wäre es für Sozialdemokraten und Grüne vermutlich eine wenig attraktive Vorstellung, den Bürgern im Alleingang die finanziellen Einschnitte zuzumuten.

Die Union aber spielt auf Zeit: Wegen des engen Terminkorsetts seien Konsensgespräche im Parlament nicht möglich, sagte der CSU-Gesundheitsexperte Horst Seehofer am Freitag dem „Handelsblatt“. In einer Sondersitzung am 18. Juni wollen die Koalitionsfraktionen in erster Lesung über den Gesetzentwurf beraten und unmittelbar vor der Sommerpause am 4. Juli die zweite und dritte Lesung angehen. Gesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) hatte der Union mehrfach angeboten, schon vor den Beratungen in der Länderkammer mit Verhandlungen zu beginnen.

Sollte die Opposition allerdings erst nach den bayerischen Landtagswahlen im September zu Verhandlungen im Bundesrat bereit sein, gerät der ohnehin enge Zeitplan für die Gesundheitsreform ins Wanken. Schon zum 1. Januar 2004 sollen nach bisherigen Plänen die neuen Gesetze greifen, damit die Krankenkassen schnell finanziell entlastet werden können – und die Beiträge sinken. Schon jetzt schieben viele Kassen einen hohen Schuldenberg vor sich her. Die Innungskrankenkasse Bayern hob jetzt ihre Beiträge von 14,9 Prozent auf die Rekordhöhe von 15,7 Prozent an, auch bei einzelnen Betriebskrankenkassen drohen im Laufe des Jahres Beitragserhöhungen.

In der Regierungskoalition wächst daher die Ungeduld: Es gebe keinen Grund, die Zusammenarbeit über Koalitionsgrenzen hinweg „auf die lange Bank zu schieben“, schimpfte Ulla Schmidt. Nach den „wortgewaltigen Ankündigungen“ müsse es genügend Fachleute geben, die in der Lage seien, „praktisch aus dem Stand heraus Gespräche zu führen“. Die jüngsten Berichte über steigende Krankenkassenbeiträge zeigten den Handlungsbedarf, ergänzte ihre Parlamentarische Staatssekretärin Marion Caspers- Merk (SPD). Der Union warf sie nach dem ablehnenden Votum zur Positivliste im Bundesrat „Blockadehaltung“ vor. Auch die Länder hätten ein Interesse an niedrigen Beitragssätzen, sagte Caspers-Merk. „Da muss man von der Union Verantwortung einfordern.“

Die aber beharrt darauf, dass bestimmte Dinge mit ihr nicht machbar seien. So kündigte CDU-Generalsekretär Laurenz Meyer im Deutschlandradio Berlin an, dass die Union auch das geplante Zentrum für Qualität in der Medizin nicht mittragen werde.

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