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Politik: Spiel mit der Angst

Ein militanter Islamist warnte vor angeblichen Anschlägen in Deutschland – nun steht er vor Gericht.

Von Frank Jansen

Berlin - Thomas de Maizière wirkte so nervös wie nie zuvor in seiner Zeit als Bundesinnenminister. Am 17. November 2010 trat der CDU-Politiker vor die eilig zusammengerufene Presse und verkündete, bis Ende des Monats könnte von islamistischen Terroristen „ein mutmaßliches Anschlagsvorhaben umgesetzt werden“. Die Polizei schickte schwer bewaffnete Patrouillen in Flughäfen und Bahnhöfe, im Reichstag wurden Kuppel und Dachterrasse für Besucher gesperrt. Doch ein Angriff blieb aus. Ein militanter Islamist hatte sich offenbar die Terrorangst zunutze gemacht. Von der pakistanischen Region Wasiristan aus behauptete er in Anrufen beim Bundeskriminalamt, es stünden Anschläge von Al Qaida in Deutschland bevor. Der Gotteskrieger muss sich nun für die Panikmache sowie für seine Terroristenkarriere vor dem Oberlandesgericht Frankfurt am Main verantworten.

An diesem Montag beginnt der Prozess gegen den aus Wuppertal stammenden Emrah E. (25). Die Bundesanwaltschaft wirft dem Deutschtürken nicht nur vor, er habe mit der fiktiven Ankündigung gewaltsamer Aktionen den öffentlichen Frieden gestört. Emrah E. soll auch nacheinander zwei Terrororganisationen angehört haben, die weit voneinander entfernt agieren. Laut Bundesanwaltschaft reiste er im Frühjahr 2010 von Deutschland in die Terrorhochburg Wasiristan und schloss sich Al Qaida an, dann zog es ihn Anfang 2011 ins weit entfernte Somalia, zur Shabab-Miliz. Sie ist mit Al Qaida verbündet und will in dem ostafrikanischen Land einen Gottesstaat errichten. Für beide Organisationen soll der Deutschtürke auch gekämpft und getötet haben. Die Bundesanwaltschaft wirft E. vor, er habe sich an Attacken auf pakistanische Soldaten sowie auf äthiopische Streitkräfte beteiligt, die in Somalia die Übergangsregierung unterstützen.

Mit dem Bundeskriminalamt telefonierte E. dreimal im November 2010. Detailliert berichtete er über zwei angeblich bevorstehende Angriffe in Deutschland, unter anderem einen von Selbstmordattentätern auf den Bundestag, und einen weiteren geplanten Anschlag in Pakistan. Da die deutschen Behörden auch andere Hinweise auf Aktionen von Al Qaida hatten, nahmen sie die Anrufe ernst.

Der Islamist habe aber Kenntnisse nur vorgetäuscht, sagen Ermittler. Aus ihrer Sicht ging es E. darum, Angst zu schüren. Und er habe mit den Telefonaten erreichen wollen, dass das BKA helfe, die schwangere Ehefrau und den Sohn aus Wasiristan nach Deutschland zu bringen. Der Islamist habe zudem Geld verlangt. Dass E. selbst die Terrorszene verlassen wollte, schließen Ermittler aus. Er habe nur den Standort gewechselt und sei mit dem Segen von Al Qaida nach Somalia gereist.

Möglicherweise war es E. in Wasiristan zu gefährlich geworden. Beim Angriff einer US-Drohne war ein Bruder von E., der auch nach Wasiristan gekommene Bünyamin E., im Oktober 2010 getötet worden. Einen weiteren, in Wuppertal lebenden Bruder hatte Emrah E. telefonisch aufgefordert, einen Supermarkt zu überfallen und das geraubte Geld an Al Qaida zu schicken. Die Polizei war informiert und hielt den Bruder von der Tat ab.

Die Terrorlaufbahn von E. sei zu Ende gegangen, als er mit der Shabab-Miliz in Streit geriet, sagen Ermittler. Der Islamist habe Somalia verlassen und sich über Kenia nach Tansania begeben. Dort wurde er im Juni 2012 festgenommen und nach Deutschland abgeschoben. Bei den Vernehmungen zeigte sich E. teilweise geständig. Frank Jansen

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