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Der Internet- und Computerkonsum bei Kindern und Jugendlichen steigt.

© picture alliance / dpa

Spiel- und Computersucht bei Kindern und Jugendlichen: "Je früher der Einstieg, desto höher die Gefahr"

Der Leiter der ersten Ambulanz für Spiel- und Computersucht erklärt, wie eine Abhängigkeit von Computern festgestellt wird - und was die Ursachen dafür sind .

Herr Wölfling, sind Smartphones und Tablets im Kindesalter der erste Einstieg in die Spiel- und Computersucht?

Das Forschungsfeld ist noch sehr jung, aber aus meiner Berufserfahrung scheint das so. Seit wir 2008 die Spielsuchtambulanz gegründet haben, beobachten wir eine Verschiebung. Für Suchterkrankte war damals der Gameboy der klassische Einstieg. Heute beginnen die Jüngeren meist mit Handy- und Tablet-Spielen. Das Spektrum ist aber weit, wir haben Patienten zwischen zwölf und 67 Jahren. Die größte Gruppe bilden jedoch die 20- bis 30-Jährigen.

Ab wann gilt man als internetsüchtig?

Es ist schwer, Sucht an der Zeit des Internetkonsums festzumachen. Wir gehen über andere Kriterien. Entscheidend ist, ob man noch die Kontrolle über den eigenen Medienkonsum hat. Wenn man das Spielverhalten nicht mehr steuern kann, Entzugserscheinungen bei Verzicht bekommt und ohne Konsum unglücklich wird, sprechen wir von Sucht. Auch der Verlust von Hobbys und sozialen Kontakten, Lügen über das Ausmaß des Konsums und Fehlzeiten in der Schule oder bei der Arbeit können Indizien sein. Allein weil jemand täglich ein paar Stunden zockt, ist er noch nicht per se süchtig. Der eine verträgt mehr als der andere – wie beim Alkohol.

Welche Auswirkungen hat die frühe Nutzung von Smartphones und Tablets auf die kindliche Entwicklung?

Auch hier fehlen uns noch belastbare Zahlen. In einer Längsschnittstudie begleiten wir aktuell Schüler in Rheinland-Pfalz und beobachten die Auswirkungen von Medienkonsum auf ihre schulischen Leistungen. Fest steht aber bereits: Je früher der Einstieg, desto höher später die Suchtgefahr.

Müssen deshalb auch Unternehmen wie Apple reagieren?

Definitiv, die Unternehmen sind in der Pflicht. Sie müssen sich mit den negativen Folgen ihrer Produkte auseinandersetzen und Kontrollwerkzeuge anbieten. Trotzdem: Der größte Teil wird wohl Erziehungsarbeit bleiben.

Wie können Eltern ihre Kinder schützen?

Wir raten zu einem zeitlich begrenzten Medienkonsum. Vor dem elften Lebensjahr sollten Kinder Computer und Smartphones nur unter Aufsicht benutzen, dann sollten sie langsam die Steuerungsfähigkeit über das eigene aktive Nutzungsverhalten erlernen. Mein elfjähriger Sohn darf täglich zwei Stunden spielen – damit gelte ich aus wissenschaftlicher Sicht wahrscheinlich schon als zu liberal. In der Praxis sind zwei Stunden Konsum am Tag aber schon schwer durchzusetzen. Hier sind Eltern gefordert.

Klaus Wölfling (46) leitet seit 2008 die deutschlandweite erste Ambulanz für Spielsucht am Universitätsklinikum in Mainz.

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