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SPRACHE: SPRACHE

Fastfood heißt „prêt-à-manger“, ein Computer ist ein „ordinateur“, eine E-Mail ein „curriel“. Während die deutsche Sprache inzwischen mit englischen Wörtern durchsetzt ist, haben die Franzosen in vielen Bereichen eigene Wörter gefunden – oder vielmehr erfunden.

Fastfood heißt „prêt-à-manger“, ein Computer ist ein „ordinateur“, eine E-Mail ein „curriel“. Während die deutsche Sprache inzwischen mit englischen Wörtern durchsetzt ist, haben die Franzosen in vielen Bereichen eigene Wörter gefunden – oder vielmehr erfunden. Frankreich kämpft für seine Sprache und das natürlich von ganz oben: Niemand Geringeres als der Premierminister selbst ist Präsident des „Obersten Rates der französischen Sprache“. Die Académie Française kümmert sich seit 1635 um eine „reine und eloquente“ Sprache. Von Deutschland aus werden die sprachpolitischen Maßnahmen oft belächelt, auch weil der Kampf längst verloren ist: Die „lingua franca“, die ihren Namen einst nicht ohne Grund trug, ist heute das Englische.

Als die Revolutionäre die Menschenrechte formulierten, war das ganz anders. Natürlich taten sie das auf Französisch, der Sprache, die seit der Herrschaft Ludwigs XIV. die europäische Aristokratie und das gehobene Bürgertum bis weit nach Osteuropa hinein sprach. Friedrich II. korrespondierte mit Voltaire und zog die französische Literatur der deutschen vor. Im Vertrag von Rastatt wurde 1714 vereinbart, alle Verträge auf Französisch zu verfassen – und nicht mehr auf Latein. „Für 200 Jahre war das Französische internationale Verkehrssprache“, sagt Jürgen Trabant, Professor für europäische Mehrsprachigkeit an der Jacobs Universität Bremen. „Die Franzosen selbst aber konnten kein Französisch.“ Sie sprachen Okzitanisch, Flämisch, Bretonisch, Baskisch, Elsässisch – das Französische war allein die Sprache der Aristokratie. In der Monarchie spielte das noch keine Rolle, doch die Revolution forderte die Mitbestimmung des Volkes, und dafür musste es die Sprache lernen. „Sprache ist in Frankreich auch deswegen so wichtig, weil es so lange gedauert hat, sie den Franzosen beizubringen“, sagt Trabant. „Endgültig war das erst 1940 gelungen.“

Noch heute schwingt bei allen Sprachmaßnahmen der Mythos vom „genié“ des Französischen mit, den Voltaire einst mit der „natürlichen“ Satzstellung begründete und den Antoine de Rivarol kurz vor der Revolution auf die Spitze trieb. „Was nicht klar ist, ist nicht französisch“, schrieb der Schriftsteller 1784 in seiner „Rede über die Universalität der französischen Sprache“ und folgerte daraus einen natürlichen Anspruch auf Weltgeltung. Noch Nicolas Sarkozy bezog sich in einer Grundsatzrede vor einigen Jahren explizit darauf.

Mit dem Versailler Vertrag, der auch auf Englisch verfasst wurde, beginnt der internationale Abstieg. „An diesem Verlust leiden die Franzosen immer noch“, sagt Trabant, der damit auch den Versuch der Abwehr gegen das Englische erklärt. „Parlez-vous franglais?“ fragte René Etiemble 1964. In seiner Streitschrift beklagte der Sorbonne-Professor die Vermischung des Französischen mit dem Englischen und setzte damit die heute bekannte Sprachgesetzgebung in Gang. Die Verbannung des Englischen aus öffentlichem Raum, Werbung und Sprache ist dabei nur ein Teil der Sprachgeschichte. In der späteren Gesetzgebung geht es vor allem darum, das Französische im Wissenschaftsdiskurs zu erhalten.

Während deutsche Vertreter sich in den EU-Institutionen lieber in gebrochenem Englisch ausdrücken, als die Simultanübersetzung in Anspruch zu nehmen, käme ein Franzose gar nicht auf diesen Gedanken – und entspricht damit im Grunde mehr der Idee der Vielsprachigkeit Europas. Auch aufgrund dieses Selbstverständnisses, das im Zusammenschluss der Frankophonie mündete, gehört das Französische noch immer zu den wichtigsten Sprachen der Welt.

Der einstige Versuch, alle Franzosen zum Gebrauch der Ersatzwörter zu zwingen, scheiterte. In staatlichen Institutionen sind diese jedoch vorgeschrieben. 18 Fachkommissionen arbeiten ständig an der Entwicklung der Wörter, in jedem Ministerium eine. Einige Neologismen, vor allem in der Computersprache, haben sich durchgesetzt. Andere kamen zu spät: Als das Wort palmarès für Hitparade eingeführt wurde, sagten die Jugendlichen längst Charts. Auch wenn das aktuelle Journal officiel empfiehlt: Sagt „liseuse“ und nicht „Reader“, ahnt man, dass dieses Wort wohl keine Erfolgsgeschichte haben wird.

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