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Politik: Srebrenica – hat ein Franzose versagt?

Hollands Parlament gibt UN-General Janvier Mitschuld am Massaker und entlastet eigene Truppe

Den Haag. Nach Überzeugung des niederländischen Parlaments ist ein französischer General mitschuldig am Massaker in Srebrenica. Bernard Janvier sei dafür verantwortlich, dass Nato-Luftangriffe auf die Truppen der bosnischen Serben ausblieben, die die muslimische Enklave im Juli 1995 angegriffen hatten. Die niederländischen Blauhelme vor Ort hätten weder den Auftrag noch die militärischen Möglichkeiten gehabt, die unter UN-Schutz stehende Stadt zu verteidigen. Zu diesem Schluss kommt der Abschlussbericht eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses des niederländischen Parlaments, der am Montag in Den Haag der Presse vorgestellt wurde.

Der Ausschuss stützte sich bei seinen Recherchen auf einen 7000-Seiten-Bericht des Niederländischen Instituts für Kriegsdokumentation (Niod), der im Frühjahr 2002 den Rücktritt des Kabinetts Wim Kok ausgelöst hatte. Zum Zeitpunkt des Angriffs auf die Enklave durch bosnisch-serbische Einheiten seien alle Voraussetzungen für die Anordnung von Luftangriffen erfüllt gewesen, so der Ausschussvorsitzende Bert Bakker. Höchstrangiger General der UN-Schutztruppe Unprofor war damals Bernard Janvier. Dieser habe den Antrag auf Luftangriffe von der Leitung der Blauhelme in Srebrenica bekommen, aber nicht weitergegeben. Tags darauf waren die Serben so weit vorgerückt, dass Luftangriffe mit Rücksicht auf die Zivilbevölkerung nicht mehr möglich waren. Die Gründe für Janviers Zögern seien unklar, so Bakker. „Da ist ein blinder Fleck.“

Nach der Erstürmung der Stadt ermordeten serbische Kommandos über 7000 männliche Einwohner in nahe liegenden Dörfern und Wäldern. Hart ins Gericht gingen die Abgeordneten aber auch mit der niederländischen Armeeführung von damals. Armeechef Hans Couzy habe Informationen der Blauhelme über Kriegsverbrechen der Serben nach dem Fall der Enklave nicht an die Regierung weitergegeben, weshalb der damalige Verteidigungsminister das Parlament falsch informiert habe.

Nach Bekanntwerden der Vorwürfe durch den Niod-Report war Armeechef Ad van Baal im April 2002 auf heftigen Druck des damaligen rechtsliberalen Verteidigungsministers Frank de Grave zurückgetreten. Zu Unrecht, fanden nun die Abgeordneten. Van Baal, der 1995 Stellvertreter Couzys war, sei für die Heimlichtuerei seines Vorgesetzten nicht verantwortlich gewesen. Über die Grenzen der Niederlande hinaus Aufmerksamkeit finden dürfte vor allem die Feststellung, die niederländischen Blauhelme hätten ihre Kommandozentrale für möglichst viele Flüchtlinge öffnen müssen. Überlebende des Massakers haben den Blauhelmen immer wieder vorgeworfen, die Flüchtlinge vor Ort im Stich gelassen und bei der Trennung von Frauen und Männern mitgeholfen zu haben.

Personelle Konsequenzen dürfte der Bericht nicht haben – keiner der Betroffenen ist noch im Amt.

Klaus Bachmann

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