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Politik: Staatliche Willkür und Missbrauch der Justiz zählen für viele zum Alltag. Einheimische zeigen am Fall Hofer daher kein Interesse.

Deutschland und den Deutschen fühlen sich die Iraner seit Generationen mehr verbunden als jedem anderen europäischen Volk. Zwei Jahrzehnte Diktatur der islamischen Geistlichen haben daran nichts geändert, ebenso wenig die seit Jahren angespannten politischen Beziehungen zwischen Teheran und Berlin.

Deutschland und den Deutschen fühlen sich die Iraner seit Generationen mehr verbunden als jedem anderen europäischen Volk. Zwei Jahrzehnte Diktatur der islamischen Geistlichen haben daran nichts geändert, ebenso wenig die seit Jahren angespannten politischen Beziehungen zwischen Teheran und Berlin. Dennoch weckte das Schicksal Helmut Hofers in der iranischen Öffentlichkeit kaum Interesse. Das Katz-und-Maus-Spiel, das die Teheraner Führung mit ihm im deutsch-iranischen Interessenkampf trieb, bewegte im Iran höchstens die Gemüter jener, die persönliche Bindungen an Deutschland unterhalten.

Der Normalbürger vermag für Hofer - so qualvoll sein Los auch gewesen sein mag - kein Interesse aufzubringen. Denn Verfolgung, verbale und tätliche Bedrohung, Inhaftierung, Verurteilung und Folter von Unschuldigen oder politisch Andersdenkenden zählen im Iran zum Alltag, mitunter gehörte und gehört auch Mord dazu. Dies ist längst die wichtigste Waffe in den Händen einer Justiz, die schamlos ihr Machtinstrument für politische Interessen einer Fraktion - der Erzkonservativen - einsetzt. Diese Waffe ist heute mehr denn je Mittel der Politik, da die Kampagne um die für Irans Zukunft schicksalhaften Parlamentswahlen am 18. Februar ihrem Höhepunkt zutreibt.

Fast jede Woche beschäftigt sich die Öffentlichkeit mit Verfahren gegen Publizisten und Journalisten, die der Beleidigung islamischer Werte bezichtigt werden und oft im Gefängnis landen. Sie sind Opfer eines Feldzuges gegen führende Anhänger von Präsident Chatamis Reformkurs. Mit Hilfe der Justiz versuchen die Konservativen - bisher allerdings vergeblich - die reformfreudige Presse zu knebeln. Mit Hilfe der Justiz beraubten Chatamis Feinde die Reformbewegung ihrer führenden Köpfe. Ex-Innenminister Abulla Nouri, der ehemalige Teheraner Bürgermeister Karbaschi und der Publizist Shamsolvaezin seien als Beispiele jener genannt, die heute aus politischen Gründen im Gefängnis sitzen. Ihre Ausschaltung aus dem öffentlichen Leben soll die Macht der in weiten Bevölkerungskreisen verhassten Konservativen absichern. Vor diesem Hintergrund verblasst in den Augen vieler Iraner die Tragödie Helmut Hofers.

Birgit Cerha

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