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Staatsbesuch: China umschmeichelt Merkel

Wie schon in Moskau und Washington bemüht man sich in Peking sichtlich, einen Draht zur Kanzlerin zu finden. Und tatsächlich wirkt das Bild harmonisch - auch wenn Merkel eindringlicher als ihr Vorgänger Defizite bei den Menschenrechten beklagt.

Peking - Die chinesische Charmeoffensive für die Kanzlerin begann schon am frühen Montagmorgen mit einem gemeinsamen Spaziergang im Park. Der chinesische Ministerpräsident Wen Jiabao hatte sich einen genauen Plan zurechtgelegt, wie er möglichst rasch einen zwischenmenschlichen Draht zu Angela Merkel bekommen könnte.

So wartete Wen ohne Schlips um 7.45 Uhr am Eingang des Parks auf die Kanzlerin. Und es fügte sich nur zu gut, dass auf dem Weg zum gemeinsamen Frühstück am Rande gerade einige Chinesen ihre meditativen Taiji-Übungen absolvierten. Das passte zur angestrebten Harmonie. Ein wenig weiter spielten dann noch einige Softball. Mit zartem Schwung zeigte Wen der Frau aus Deutschland, wie die Schläge ausgeführt werden. Auch Merkel nahm den Schläger in die Hand und ließ den Softball ein wenig hopsen.

Wie bereits bei ihren jüngsten Aufenthalten im russischen Tomsk und in Washington wurde Merkel auch in Peking fast umschmeichelt. Nach Russlands Präsident Wladimir Putin und US-Präsident George W. Bush nun auch die chinesischen Machthaber: Alle waren bemüht, einen möglichst guten Draht zur neuen Kanzlerin zu bekommen.

Fast hatte es in Peking den Anschein, als wollten die Chinesen an die Bilder von Merkels jüngstem Besuch im Weißen Haus anknüpfen. Auch da war sie mit Präsident Bush durch den Park des Amtssitzes geschlendert. Und auch das Abendessen hatte in den Privaträumen des Präsidenten stattgefunden.

Eine gewisse fernöstliche Harmonie schien beide durchaus erfasst zu haben, als sie nach ihren Gesprächen in der Delegation vor die Presse traten. Wen sprach von einem «breiten Konsens», den die beiden gefunden hätten. Merkel versicherte, sie wolle dafür eintreten, «dass sich die traditionell guten deutsch-chinesischen Beziehungen» auch unter ihrer Führung gut entwickeln können.

Das bedeutete aber nicht, dass beide Seiten hundertprozentige Übereinstimmung erzielten. Das war gar nicht möglich bei der Fülle der Themen, aber auch wegen der zum Teil sehr unterschiedlichen Interessenlagen.

Merkel vollzog an diesem ersten Tag ihrer 38-stündigen China-Reise keine Wende in der deutschen China-Politik. Sie blieb im Großen und Ganzen auf der Linie ihrer Vorgänger. Auch die Kanzlerin ist am Ausbau der Wirtschaftsbeziehungen interessiert. Nur: Es hatte den Anschein, dass sie vielleicht etwas deutlicher auch die Menschenrechte und die Defizite der Demokratie ansprach. Mehrmals hob sie hervor, dass sie dem Thema Menschenrechte große Bedeutung beimisst. «Unserer Meinung nach sind die Menschenrechte unteilbar.»

Unterstreichen wollte sie dies vor allem durch das schon im Vorfeld heftig diskutierte Treffen mit «Vertretern der Zivilgesellschaft» nach ihren Gesprächen mit Wen. Es war eine wohlkalkulierte Geste - ähnlich der vor Monaten beim ersten Besuch in Moskau. Auch dort hatte sie Organisationen wie den Müttern der russischen Tschetschenien-Soldaten, die vom Kreml eher misstrauisch beobachtet werden, ihre Aufmerksamkeit gewidmet

Und so war es auch in Peking. In der deutschen Botschaft traf Merkel mit vier sozial engagierten Bürgern und Autoren zusammen, die sich für die arme Landbevölkerung und die Rechte der Wanderarbeiter einsetzen. Echte Regimegegner waren nicht unter den Eingeladenen. Merkel wollte keine Provokation, keinen Krawall.

Auch in anderer Beziehung trat sie durchaus selbstbewusst auf. Lange war erwartet worden, dass die Verträge über die Verlängerung der Transrapid-Strecke über die «Stadtbahn-Route» von Schanghai hinaus in das 160 Kilometer entfernte Hangzhou vielleicht unterschrieben werden könnten. Doch die Verhandlungen verliefen in der Schlussphase zäh. Auch deshalb, weil die Chinesen wohl hofften, dass Merkel, um einen handfesten Erfolg daheim vorweisen zu können, das Projekt mit Zahlungen der Größenordnung von mehreren hundert Millionen Euro «befördert».

Die Deutschen zeigten sich diesmal aber etwas hartleibiger als noch vor Jahren die alte Bundesregierung. «Wir geben nichts», lautete die Botschaft - wohl auch deshalb, weil weitere «Geschenke» an China kurz vor der größten Steuererhöhung in Deutschland beim Wahlvolk vermutlich auf einige Verwunderung gestoßen wären.

Merkel sei im Vorfeld manchmal als «Sturm» bezeichnet worden, sagte Wen. Tatsächlich habe sie «freundlichen Wind nach Peking gebracht», vollendete er sein Kompliment. «Das mit dem Wind müssen sie mir noch erklären», gab Merkel zurück. (Von Ulrich Scharlack und Andreas Landwehr, dpa)

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