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Lange Schatten. 1940 ließ Stalin 22 000 Polen hinrichten, 3000 allein in Katyn. Polen erwartet dafür eine Entschuldigung Russlands. Unterwegs zur Gedenkfeier 2010 starben mehr als 90 Politiker, Geistliche und Gelehrte bei einem Flugzeugabsturz.

© AFP

Staatsbesuch in Polen: Medwedew will verbessertes Verhältnis betonen

Seit Boris Jelzin reiste kein russischer Staatschef mehr nach Polen. Dmitri Medwedews Besuch bei den Nachbarn soll ein Zeichen sein. Beide Seiten stellen sich den Neustart auf wirtschaftlichem Gebiet am leichtesten vor.

Seit Boris Jelzin reiste kein russischer Staatschef mehr nach Polen. Historisch ohnehin belastet, kannte das bilaterale Verhältnis zwischen den beiden Ländern seit der Nato- und der EU-Osterweiterung Mitte der 90er Jahre nur noch einen Trend: steil abwärts. Der zweitägige Staatsbesuch des russischen Präsidenten Dmitri Medwedew, der an diesem Montag beginnt, soll nun zur Herstellung „wahrhaft gutnachbarlicher Beziehungen“ und zur „qualitativen Verbesserung des bilateralen Verhältnisses auf allen Gebieten auf der Basis von Prinzipien wie gegenseitige Achtung und Berücksichtigung der Interessen des jeweils anderen“ führen, wie es der Kreml etwas umständlich formuliert. „Positive Tendenzen“, die seit Amtsantritt von Donald Tusk als Regierungschef in Warschau zu beobachten sind, sollten unumkehrbar gemacht werden.

Die Unterzeichnung eines Abkommens über den Umweltschutz in der Ostsee steht ganz oben auf der Agenda von Medwedew. Es geht dabei vor allem um die Reinigung der durch Öl und andere Schadstoffe verseuchten Bucht bei Kaliningrad an der russisch-polnischen Grenze.

Beide Seiten gehen davon aus, dass der Neustart der bilateralen Beziehungen auf wirtschaftlichem Gebiet am leichtesten zu stemmen ist. Mit seinem polnischen Amtskollegen Bronislaw Komorowski will er ein Abkommen über regionale Zusammenarbeit unterzeichnen, das den Bewohnern von Russlands Ostsee-Exklave Kaliningrad Erleichterungen bringen soll. Die Bernsteinküste rings um das ehemalige Königsberg hat seit Ende der Sowjetunion und dem EU-Beitritt Polens und der Baltenstaaten einen Inselstatus. In Anwesenheit beider Staatschefs wollen russische und polnische Unternehmen mehrere Kooperationsabkommen unterzeichnen. Schließlich soll Polen die Möglichkeit erhalten, sich mit Investitionen an der Modernisierung der russischen Wirtschaft zu beteiligen.

Die Trendwende im Verhältnis der beiden Staaten begann mit einer Tragödie: Dem Absturz der Maschine von Polens Präsident Lech Kaczynski im April mit über 90 Toten – Spitzenpolitiker, Kleriker, Gelehrte. Ausgerechnet Premier Wladimir Putin, der bei Katastrophen sonst die Öffentlichkeit scheut, half seinem Amtskollegen Tusk auf, als dieser im Wald bei Smolensk auf die Knie fiel, und drückte ihn sekundenlang schweigend an die Brust. Fast auf den Tag 70 Jahre zuvor hatte Polen schon einmal seine Eliten verloren. Stalin ließ sie hinrichten, über 3000 allein bei Katyn unweit von Smolensk. Ihr Andenken zu ehren, waren Kaczynski und seine Begleitung gekommen. Der Massenmord belastet das russisch-polnische Verhältnis nach wie vor. Am Freitag stellt das russische Parlament erstmals Stalin und dessen totalitäres Regime an den Pranger. Für Komorowski war das ein positives Signal. Polen erwartet aber nach wie vor eine offizielle Entschuldigung Russlands als UdSSR-Rechtsnachfolger. Belastet wird das Verhältnis auch durch Polens Unterstützung für Moskaus prowestliche Ex-Vasallen wie Georgien, durch beider Gerangel um Einfluss in der Ukraine und durch US-Pläne für einen Raketenabwehrschild, von dem Teile in Polen stationiert werden sollen. Und in der kommenden Woche verhandelt Komorowski in Washington über Polens Rolle in der Nato.

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