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Andrej Hunko (l.) bei seinem Treffen mit Nicolas Maduro.

© Prensa Miraflores/dpa

„Staatsbesuch” in Venezuela: Die seltsame Reise eines deutschen Linken-Politikers zu Maduro

Die Bundesregierung erkennt Maduro nicht mehr als Venezuelas Staatschef an. Den Linken-Politiker Andrej Hunko schert das nicht.

Nicolas Maduro hat nicht mehr viele Verbündete, aber auf wen er sich verlassen kann, ist die deutsche Linke. Da die meisten Staats- und Regierungschefs einen großen Bogen um Venezuelas Machthaber machen, hat Maduro den in Deutschland eher unbekannten Linken-Abgeordneten Andrej Hunko nun wie einen Staatsgast empfangen, vor Fahnen beider Länder. "Wir hatten ein wichtiges Treffen, um die Beziehungen mit der europäischen Gemeinschaft zu stärken und  um die Anerkennung des internationalen Rechts zu fördern", sagte Maduro nach dem Treffen.

Nun ist Hunko nicht gerade der Chef der EU-Kommission, aber immerhin europapolitischer Sprecher seiner Fraktion im Bundestag. Beide scherzen, wie auf Fernsehbildern zu sehen ist. Die staatlichen TV-Nachrichten berichten groß über das Treffen. Maduro liebt ja die Inszenierung, mal tanzt er Salsa oder wenn mal wieder der Strom ausgefallen ist, spielt er Föhngeräusche nach, um die Frauen dazu zu animieren, auf das Föhnen zu verzichten, um den Stromkollaps im Land mit den größten Ölreserven der Welt zu verhindern.

Und während viele hungernde Menschen zehn Kilogramm und mehr an Gewicht verloren haben, gönnte sich Maduro bei einem Besuch in der Türkei ein riesiges Steak, bei Starkoch Nusret Gökce ("Salt Bae"), der auch das Goldsteak für Bayern-Fußballer Frank Ribery serviert hat. Ohnehin scheint der frühere Busfahrer mit dem markanten Schnäuzer in der Krise eher noch an Körperfülle zuzunehmen.

Recep Tayyip Erdoğan ist neben Russlands Präsident Wladimir Putin und Chinas Staatschef Xi Jinping sein wichtigster Verbündeter – und etwas in der Rangfolge dahinter nun offenbar Andrej Hunko. Der bezieht nun Prügel von Union, Grünen und SPD ("skandalös", "peinlich"), denn die Bundesregierung erkennt Maduro nicht mehr an, sondern unterstützt den Präsidenten des entmachteten Parlaments, Juan Guaidó, als Übergangspräsidenten.

Aber immerhin: Den traf Hunko auch. Das wurde über das Auswärtige Amt und die Deutschen Botschaft in Caracas organisiert – die nach dem Rauswurf von Botschafter Daniel Kriener nur noch im eingeschränkten Betrieb arbeitet. Das Treffen mit Maduro wurde über die venezolanische Botschaft in Berlin eingestielt.

Die Sanktionen müssten gestoppt werden, so Hunko

Hunko bereist das Land seit dem 16. April für elf Tage. Da die Lufthansa schon 2016 die Flüge eingestellt hat, reiste Hunko mit TAP über Portugal in das Krisenland, aus dem bereits mehr als drei Millionen Menschen geflohen sind. Hunko betont, die Sanktionen gegen die Maduro-Regierung müssten gestoppt werden. Wie Maduro sieht er besonders die einseitige Anerkennung Guaidós durch viele westliche Staaten als völkerrechtswidrige Einmischung in innere Angelegenheiten – viele Linke fragen, warum man sich nicht ähnlich stark in innere Angelegenheiten wie zum Beispiel in Saudi-Arabien einmischt.

Und mit Blick auf US-Präsident Donald Trump, der auch die militärische Option offen  lässt, betont der 55-Jährige: "Eine Lösung der Krise kann nicht gewaltsam von außen herbeigeführt werden." Guaidós Ausrufung zum Interimspräsidenten nennt Hunko schlicht einen "Putschversuch".

Andrej Hunko spricht im Bundestag.
Andrej Hunko spricht im Bundestag.

© Michael Kappeler/dpa

Nach dem außerordentlich kumpelhaften Treffen Hinterbänkler/Staatspräsident betont Hunko bilanzierend: "Wir hatten einen langen Austausch über die internationale Lage und insbesondere über die Erosion des Völkerrechts", sagte Hunko mit Blick auf die Anerkennung Guaidos durch zahlreiche westliche Staaten.

Maduro habe die Unrechtmäßigkeit der Sanktionen und der Beschlagnahmungen venezolanischen Vermögens durch internationale Banken auf Druck der USA betont, "die die Lage im Land verschlimmert"; berichtete Hunko nach dem Treffen mit dem Sozialisten, der sich auch dank üppiger Zuwendungen an das Militär weiter an der Macht hält.

Und der steigende Ölpreis spielt ihm in die Karten. "Ich habe meinen Wunsch verdeutlicht, dass Venezuela keine No-Go-Area werden darf und dass ich deshalb erwarte, dass viele Abgeordnete, Journalisten und interessierte Menschen das Land in dieser schwierigen Zeit besuchen würden und sich ein umfassendes Bild der Lage machen", sagte Hunko. Maduro habe gesagt, "alle sind willkommen."

Zahlreiche Oppositionelle sitzen in Haft

Nun, wer in jüngster Zeit in Caracas war und die mit Ketten auf Motorrädern Maduro-Gegner jagende "Colectivos" erlebt hat, dürfte so seine Zweifel bekommen. Venezuela hat mit die höchsten Mordraten weltweit – und zahlreiche Oppositionspolitiker sitzen in Haft oder im Hausarrest. Auch Guaidó könnte bald festgenommen werden – eine Gewaltenteilung und unabhängige Justiz gibt es schon lange nicht mehr.

Hunko war der erste Bundespolitiker, der Venezuela seit Beginn des Machtkampfes besucht. Der SPD-Politiker Nils Schmid nannte es "beschämend, dass die Linkspartei immer noch einen Herrscher unterstützt, der die Demokratie in Venezuela zerstört und sein Land ins wirtschaftliche Verderben gestürzt hat".

Ein Mann hat sich Nahrung in Kolumbien besorgt.
Ein Mann hat sich Nahrung in Kolumbien besorgt.

© Luisa Gonzalez/Reuters

CDU-Fraktionsvize Johann Wadephul forderte die Fraktionsführung der Linken im Bundestag auf, Hunko alle internationalen Aufgaben – etwa im Europarat – zu entziehen. Der Grünen-Außenpolitiker Omid Nouripour warf Hunko vor, sich von Maduro "propagandistisch instrumentalisieren" zu lassen. "Maduro ist kein linker Präsident, sondern ein schlimmer Kleptokrat, der sein Land und sein Volk ruiniert", sagte er.

Hunko betonte, er habe vor dem Maduro-Treffen auch den Parlamentspräsidenten Guaidó und weitere hochrangige Vertreter der Opposition getroffen. "Ich habe dort meine Überzeugung zum Ausdruck gebracht, dass eine Lösung der Krise nur friedlich und dialogisch sein kann. Guaidó stellte mir verschiedene Gewerkschaftsführer vor, die in Opposition zur Regierung stehen." Was die Chancen auf Dialog angehe, habe es gemischte Signale gegeben: "Maduro sagte, dass er immer für Dialog sei, auch mit dem Teufel." Im Anschluss nahm Hunko auch als Beobachter an einer Parlamentssitzung teil.

Hunko zeigt klar, wem er nähersteht

Einige Vertreter der Opposition sähen in Verhandlungen nur einen Zeitgewinn für die Regierung, sagte Hunko. Und die Erfahrungen der Vergangenheit dürften eine große Rolle spielen: Maduro ist ein politischer Überlebenskünstler und wollte schon Papst Franziskus als Mediator gewinnen, doch das einzige Zugeständnis war eine Neuwahl des entmachteten Parlaments. Die Wahl vom 6. Dezember 2015 war die letzte freie Wahl in Venezuela und da gewann die Opposition mit Zweidrittel-Mehrheit.

Die Bilder des Begründers des Sozialismus des 21. Jahrhunderts, des 2013 verstorbenen Hugo Chávez, wurden abgehängt. Maduro, der sich als Hijo de Chávez (Sohn von Chávez) bezeichnet, ließ die Zügel anziehen, seine Wiederwahl als Präsident wurde von vielen Staaten nicht anerkannt – angesichts der zunehmend autoritären Strukturen ist absehbar, wie eine Parlamentswahl ausgehen würde.

Die venezolanische Regierung und speziell Maduro sind Meister der Inszenierung, die Besuchern auch eine Art Potemkisches Dorf zu präsentieren verstehen. Hunko lässt klar erkennen, wem er nähersteht: "Was seitens der Regime-Change-Anhänger völlig unterschätzt wird, ist die nach wie vor starke soziale Basis des Chavismus. Das ist jedenfalls mein Eindruck nach den ersten Tagen zahlreicher Gespräche mit völlig unterschiedlichen Akteuren im Lande."

Auch wenn Maduro bei weitem nicht so populär sei wie Chávez, stoße "die Kumpanei der extremistischen Teile der Opposition um Guaidó mit gewaltbereiten Interventionisten insbesondere der USA auf breite Ablehnung." Man darf gespannt sei, was die Linken-Führung von dieser Abenteuerreise zu den Abgründen des Sozialismus hält.

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