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Staatsbürgerschaft: Geheimnis Integration

Die ersten Jugendlichen mit zwei Pässen entschieden sich für einen. Für welchen, weiß noch niemand, denn keine Behörde erfasst bislang, wie viele der Jugendlichen bereits von der Regelung Gebrauch gemacht haben.

Berlin - Die Reform des Staatsangehörigkeitsrechts 2000 war die womöglich am härtesten umkämpfte in der jungen Geschichte des vereinigten Deutschlands. Doch wie das Gesetz gewirkt hat, wie viele der jungen Doppelstaatsbürger, die es seit damals gibt, sich als Erwachsene für oder gegen den deutschen Pass entscheiden, das wird vorerst ein Geheimnis bleiben: Sie werden nämlich statistisch noch nicht erfasst.

Nach der sogenannten Optionsregel des Gesetzes erhalten ab dem Jahr 2000 hier geborene Kinder von Ausländern zusätzlich zur Staatsangehörigkeit der Eltern die deutsche, wenn die Eltern sich hier mindestens acht Jahre rechtmäßig aufhalten. Rückwirkend gilt diese Regelung auch für Kinder ab dem Geburtsjahrgang 1990. Sie müssen sich mit 18 Jahren, spätestens bis zu ihrem 23. Geburtstag, für eine der Staatsbürgerschaften entscheiden. Tun sie dies nicht, verlieren sie die deutsche automatisch. Die ersten Jugendlichen betraf dies 2008. Die sogenannte „Optionsregel“ war ein Kompromiss zwischen der Union, die Mehrstaatigkeit ganz und gar ablehnte, und der Mehrheit des rot-grünen Lagers, die sie für hier geborene ausländische Kinder grundsätzlich zulassen wollte. Die Reform des Staatsbürgerschaftsrechts hatte vor gut zehn Jahren die deutsche Politik erschüttert und der damals frisch gewählten Regierung Schröder nicht nur ihre erste schwere Niederlage auf einem der rot-grünen Kernfelder bereitet: Sie kostete Rot-Grün auch die Mehrheit im Bundesrat, nachdem Roland Koch (CDU) im hessischen Wahlkampf Unterschriften gegen die doppelte Staatsbürgerschaft sammelte und so die Landtagswahl für sich und die CDU entschied.

Doch was nun aus den „Optionskindern“ wird, ist unklar; keine Behörde erfasst bislang, wie viele der Jugendlichen bereits von der Regelung Gebrauch gemacht und sich für den einen oder anderen Pass entschieden haben: Zwar gebe es beim Bundesverwaltungsamt seit Februar 2009 ein neues Register (EStA), in dem die Entscheidungen der Optionskinder gesammelt würden, sagt Harald Grölinger vom Bundesverwaltungsamt. Allerdings könnten viele der dezentralen Daten „aus technischen Gründen“ erst ab Juni 2009 in das Register aufgenommen werden. Statistische Aussagen seien daher noch nicht möglich. Das Amt für Statistik Berlin-Brandenburg zählt zwar alle Optionskinder in Berlin bis zum Alter von 18 Jahren, erfasst jedoch nicht, wer sich nach Erreichen der Volljährigkeit für welchen Pass entscheidet. Auch das Statistische Bundesamt registriert die Fälle nicht. Ebenso wenig das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge in Nürnberg. Für Einbürgerungen seien laut Gesetz die Bundesländer zuständig, heißt es dort.

Allerdings handelt es sich bei den Optionskindern nicht um eine Einbürgerung: Die Jugendlichen sind regulär Deutsche, da sie bereits einen deutschen Pass besitzen. Mit ihrem 18. Geburtstag werden sie lediglich dazu aufgefordert, offiziell zu erklären, ob sie es bleiben wollen und dafür bereit sind, ihre weitere Staatsbürgerschaft abzugeben.

Offensichtlich ging im Grabenkrieg zwischen Schwarz und Rot-Grün vor Jahren die Frage unter, wie man die Wirkung des Gesetzes und die Zahl der Optionskinder erfasst, die sich für oder gegen den deutschen Pass entschieden haben. Die Grünen-Politikerin Marieluise Beck, damals Ausländerbeauftragte, erinnert sich, dass allein die Änderung der Verwaltungsvorschriften acht Jahre gedauert habe. „Detailfragen wie diese konnten wir nicht ins Gesetz schreiben.“ 

Dafür, die jungen Nicht-mehr-Doppelstaatler zu zählen, wird es Zeit. Schon letztes Jahr nämlich wurde es für die ersten rund 3300 Jugendlichen ernst. Kurz nach ihrem 18. Geburtstag erhielten sie einen Brief vom Meldeamt – mit der Aufforderung, sich bis zu ihrem 23. Lebensjahr für eine der beiden Staatsangehörigkeiten zu entscheiden. 2009 kommen weitere 3800 Jungen und Mädchen hinzu, bis 2018 werden es knapp 50 000 sein.

Berlin will wenigstens schon auf Landesebene mehr wissen. Wer genau in einem Bezirk volljährig wird und somit möglicherweise unter die Optionsregel fällt, erfahren die Bezirksämter monatlich vom Landesamt für Bürger- und Ordnungsangelegenheiten. Die Bezirksämter wiederum senden ihre eigenen Statistiken monatlich an die Senatsverwaltung für Inneres. Die Optionskinder, die sich bereits entschieden haben, werden bisher nicht extra gelistet. „Künftig werden wir auch diese Daten von den Bezirksämtern abfragen“, sagt Nicola Rothermel, Sprecherin von Innensenator Erhart Körting (SPD).

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