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Anhänger und Gegner Mursis liefern sich noch immer erbitterte Kämpfe

© Reuters

Staatskrise in Ägypten: Militär drängt auf den Showdown

In Kairo rüsten sich Anhänger und Gegner des gestürzten Präsidenten Mursi zur entscheidenden Konfrontation. Eine Verhandlungslösung scheint in weite Ferne gerückt.

Hochspannung am Nil - selbst für Ramadan waren die Straßen ungewöhnlich leer. Sämtliche Konzerte und Opernaufführungen in den nächsten zwei Wochen sind aus Sicherheitsgründen abgesagt. Polizei und Armee mobilisieren alle verfügbaren Kräfte. Übergangspräsident und Übergangsregierung sind abgetaucht. Ägypten und seine Hauptstadt Kairo rüsten sich für Freitag zur entscheidenden Konfrontation zwischen den Gegnern und Befürwortern des gestürzten Präsidenten Mohammed Mursi. Seit Armeechef Abdel Fattah al Sisi vor 48 Stunden von seinen Landsleuten ein kollektives Mandat per Großdemonstrationen eingefordert hat, um „Terrorismus und Gewalt zu beenden“, wachsen auch international die Sorgen, das größte arabische Land könnte in Chaos, Gewalt und Blutvergießen untergehen. Denn die Muslimbrüder halten dagegen, ihr per Haftbefehl gesuchter Chef Mohammed Badie rief das „würdige ägyptische Volk“ auf, friedlich einzustehen „für Freiheit und Legitimität – gegen den blutigen Putsch“. Die Vereinigten Staaten äußerten sich „sehr besorgt“. Präsident Barack Obama persönlich stoppte die Lieferung von weiteren vier F-16-Kampfjets an Ägyptens Streitkräfte. US-Verteidigungsminister Chuck Hagel telefonierte seither mehrfach mit Sisi, dabei sei auch dessen Rede zur Terrorgefahr zur Sprache gekommen, hieß es aus dem Pentagon.

Ägyptische Presse feiert al Sisi

Dagegen badete sich die ägyptische Presse in einhelligem Jubel über die neuerliche Zuspitzung. „Sisi ruft und das Volk antwortet“, titelte die private Zeitung „Al Masry al-Youm“. Das Staatsblatt „Al-Akhbar“ deklamierte, teilweise in roten Lettern, „Sisis Botschaft ist ergangen – und das Volk antwortet, wir ermächtigen dich“. Seit dem Sturz von Mohammed Mursi vor drei Wochen sind weite Teile der ägyptischen Medienlandschaft von einer besinnungslosen Militärbegeisterung und einem chauvinistischen Taumel erfasst, begleitet von wüsten Dämonisierungen der Muslimbruderschaft.

Einzig die Demokratiebewegung „6. April“ begann sich am Donnerstag von der geradezu messianischen Sisi-Euphorie zu distanzieren. Dessen Aufruf werde die gegenwärtige politische Krise nur verschlimmern, hieß es in einer Stellungnahme. „Unsere Streitkräfte brauchen keine öffentliche Ermächtigung, um im Rahmen der Gesetze und ohne Willkür ihre patriotischen Pflichten zu erfüllen – die Garantie der Sicherheit und die Eindämmung von Gewalt.“ Alles andere werde Ägypten von seinem Ziel einer nationalen Versöhnung abbringen und das öffentliche Wohl gefährden.

Zuvor war am Mittwochabend der von der politischen Interimsführung einberufene Runde Tisch zur „nationalen Aussöhnung“ ergebnislos zu Ende gegangen. Das Treffen wurde nicht nur von der Muslimbruderschaft boykottiert, auch von den Salafisten und gemäßigten Islamisten wie der Partei des ehemaligen Präsidentschaftskandidaten Abdel Moneim Abou El-Fotouh. Die Salafisten forderten, die islamistischen TV-Kanäle müssten wieder zugelassen werden und die Sicherheitskräfte den Befehl erhalten, künftig auch Demonstrationen der Mursi-Anhänger zu schützen und nicht nur die der Mursi-Gegner. In letzter Zeit war es vor allem beim Camp der Muslimbrüder vor der Universität Kairo zu Feuerüberfällen dubioser Zivilpersonen auf die Demonstranten gekommen mit bisher über zwanzig Toten. Videos aus dieser Woche zeigen, wie sich bewaffnete Hooligans vor Ort mit Besatzungen in Polizeiwagen über ihr gemeinsames Vorgehen abstimmen.

Muslimbrüder fürchten Verfolgung

Politische Verhandlungen hinter den Kulissen zwischen beiden Seiten blieben bisher allerdings ohne Annäherung. Nach Informationen der „New York Times“ wäre die Führung der Muslimbruderschaft bereit, einen Rücktritt Mursis zu akzeptieren, wenn dieser zuvor in einer formellen Zeremonie wieder in sei Amt eingesetzt würde. Für die Militärführung ist ein solches Szenario absolut undenkbar und nicht verhandelbar. Als maximale Konzession wären die Generäle bereit, die Führung der Muslimbrüder freizulassen, ihre TV-Kanäle wieder zuzulassen und den Islamisten zu garantieren, dass ihre Organisation nicht verboten wird. „Wir wissen, dass Mursi nicht wieder als Präsident zurückkommt, aber wir wollen Garantien, dass wir nicht alle ins Gefängnis geworfen werden“, zitierte am Donnerstag „Al-Ahram Online“ ein hohes Mitglied der Muslimbruderschaft. „Wenn wir die Wahl haben zwischen Kampf und Tod auf der Straße einerseits oder Gefängnis andererseits, warum sollten wir uns freiwillig für die Haft entscheiden?“

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