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En Mann am Sarg des ermordeten Danziger Bürgermeister Adamowicz.

© Omar Marques/dpa

Staatstrauer in Polen nach Mord an Adamowicz: Die liberale Opposition glaubt den regierenden Rechtsnationalen die Wende nicht

Polens Regierung hat sich doch zur Staatstrauer für den ermordeten Danziger Bürgermeister durchgerungen. Es wird auch gegen rechte Hetzer vorgegangen.

Die Ermordung des Danziger Stadtpräsidenten hat die bitter verfeindeten politischen Eliten in Polen etwas zur Besinnung gebracht. So hat die rechtnationale Kaczynski-Regierung sich nun doch dazu überwunden, eine Staatstrauer für den liberalen Pawel Adamowicz auszurufen. Laut Antrag von Regierungschef Mateusz Morawiecki begann diese am Freitag um 17 Uhr mit dem Leichenzug des Ermordeten in die Danziger Marien-Kathedrale und endet am Samstagabend.

In Danzig wurden sofort nach dem Tod Adamowiczs am Montag sämtliche Flaggen auf Halbmast gesetzt und alle Vergnügungsveranstaltungen abgesagt. Selbst ein durchaus ernstes Festival neuer improvisierter Musik fiel der Stadtrauer zum Opfer. Auch in der Nachbarstadt Gdynia wurde bereits am Mittwoch eine dreitägige Stadttrauer ausgerufen.

Adamowicz war am Sonntagabend auf einer Freiluftbühne während einer von der Regierung als oppositionell eingestuften Spendenaktion von einem Messerstecher tödlich verletzt worden. Nach seiner Bluttat veranstalte der Mann einen Freudentanz und gab der liberalen Bürgerplattform (PO) die Schuld für seine Mordtat.

Politisches Motiv möglich

"Die PO hat mich ins Gefängnis geworfen und gefoltert, deshalb musste Adamowicz sterben", rief er in ein Mikrophon. Inwiefern der 27-jährige Täter aus Danzig zurechnungsfähig war, wird noch abgeklärt. Zuerst hieß es schnell, der Ex-Häftling sei psychisch gestört gewesen, mittlerweile häufen sich jedoch die Hinweise darauf, dass es sich um eine genau geplante Tat, vielleicht gar mit politischem Hintergrund handeln könnte.

Die Tat hat Polen zutiefst erschüttert. Seit Montagabend kommt es im ganzen Land zu Schweigemärschen gegen Hass und Gewalt mit Tausenden von Teilnehmern. Allerdings wird der Mord auf ein paar rechten, teils regierungsfreundlichen Internetportalen in den Diskussionsforen von einer Minderheit auch gutgeheißen.

Die seit der rechtspopulistischen Machtübernahme der Kaczynski-Partei "Recht und Gerechtigkeit" (PiS) direkt dem Justizminister unterstellte und damit nicht mehr unabhängige Staatsanwaltschaft hat in den letzten Tagen nun damit begonnen, solche Hassredner zu verfolgen.

Kerzen brennen für den ermordeten Oberbürgermeister in Danzig.
Kerzen brennen für den ermordeten Oberbürgermeister in Danzig.

© Omar Marques/imago/ZUMA Press

Bis Freitagmittag wurden bereits 20 solcher Internet-Täter festgenommen. Viele von ihnen hatten weitere liberale Bürgermeister - etwa in Poznan (Posen) oder Wroclaw (Breslau) - mit dem Tod bedroht. Ihnen drohen nun bis zu zwei Jahre Gefängnis. Das Justizministerium will 105 Staatsanwälte in eine ad hoc-Krisengruppe gegen Hassreden eingeteilt haben.

Kritik an Regierungspartei

Teile der liberalen Opposition, der auch Adamowicz angehörte, obwohl er 2015 aus der PO ausgetreten war, werfen der Regierung vor, angesichts der großen Betroffenheit im Lande nur zum Schein nun wieder Kreide zu fressen. Die PiS wolle ihre Chancen bei den Parlamentswahlen vom Herbst nicht unnötig senken, deshalb trete sie nun plötzlich gegen jenen politischen Hass auf, den sie jahrelang – etwa im von der PiS gleichgeschalteten Staatsfernsehen - angefacht hatte, heißt es.

Für diese Lesart spricht die seltsame Abwesenheit des PiS-Parteichefs Jaroslaw Kaczynski bei einer Schweigeminute für Adamowicz am Donnerstag im Parlament. Kaczynski und weitere PiS-Falken wollen sich dazu unabsichtlich verspätet haben. "Ich würde keine Haarspalterei darüber betreiben, wer bei welcher Schweigeminute anwesend ist", beruhigte Staatspräsident Andrzej Duda die Stimmung. 

Duda wird am Samstag zusammen mit Morawiecki in Danzig am Begräbnis Adamowiczs teilnehmen. Auch deren beider erbitterter politischer Feind, EU-Ratspräsident  Donald Tusk (PO) und weitere liberale Spitzenpolitiker wollen daran teilnehmen. Kaczynski bleibet vermutlich in Warschau, obwohl sein geliebter 2010 beim Flugzeugabsturz von Smolensk umgekommener Zwillingsbruder Lech in den Achtzigerjahren den damaligen Studenten Adamowicz noch in Arbeitsrecht geschult hatte.

Bis zuletzt war unklar, ob die PiS-Vertreter auch das Wort erhalten. Adamowiczs Familie hatte sich ein apolitisches Begräbnis gewünscht. Pawel Adamowiczs Urne wird am Samstag um 15 Uhr in einem Seitenschiff der Marien-Kathedrale beigesetzt, so wie viele Danziger Stadtväter vor ihm.

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