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Stadtratsfraktion: CDU-Wiesbaden droht Abgeordnetenwatch mit Klage

Während in Berlin über die wachsende Digitalisierung der Politik diskutiert wird, will die Wiesbadener CDU-Stadtratsfraktion von neuen Formen der Bürgerbeteiligung offenbar nichts wissen.

Eigentlich ist das Portal Abgeordnetenwatch.de ganz harmlos: Bürger können hier Fragen für Politiker einstellen, Politiker können antworten - oder auch nicht. Dass das politisch unabhängige Online-Projekt, das 2004 in Hamburg startete und sich über Spenden und Förderkreise finanziert, dabei nicht nur Politiker erfasst, die dazu ihr Einverständnis gegeben haben, war bisher nie ein Problem: Bundeskanzlerin Angela Merkel ignorierte die über Abgeordnetenwatch an sie gerichteten Fragen einfach, andere antworteten dafür umso fleißiger. Auch vor der Wahl in Berlin konnten Bürger die Kandidaten der einzelnen Parteien via Abgeordnetenwatch befragen.

Aber nicht nur Fragen und Antworten sind einsehbar, auch Abstimmungsverhalten und Redebeiträge werden dokumentiert und sind untrennbar mit dem Profil eines Politikers verbunden. Der CDU-Stadtratsfraktion in Wiesbaden war das alles offenbar zu viel des Guten. Geschlossen erklärte sie kürzlich den Machern von Abgeordnetenwatch, nicht an dem Projekt teilnehmen zu wollen.

Bei Abgeordnetenwatch war die Verwunderung groß, gibt es doch bislang noch nicht mal eine konkrete Planung für eine Befragung auf kommunaler Ebene in Wiesbaden. Trotzdem wollte man eine solche Möglichkeit nicht ausschließen und antwortete entsprechend in einem Brief. Die nächste Reaktion kam vom Justiziar des CDU, der vorsorglich für den Fall eines solchen Projekts schon einmal Klage androhte.

Am Mittwoch veröffentlichten die Macher von Abgeordnetenwatch eine öffentliche Reaktion in ihrem Blog. Darin heißt es, u. a.: "Von der angedrohten 'erfolgssicheren Klärung' lassen wir uns ... nicht beeindrucken." Dann wird aus einem Schreiben an den Justiziar zitiert: "Da wir unverändert der Ansicht sind, dass eine Weiterleitung von Bürgeranfragen – zumal über eine öffentliche und im Zusammenhang mit der Ratstätigkeit stehende eMailadresse – nicht rechtswidrig ist, sehen wir einer "formalen Klärung" gelassen entgegen. Wir würden diese sogar ausdrücklich begrüßen."

Martin Reyher, Online-Redakteur bei Abgeordnetenwatch und Autor des Blogeintrags, äußerte gegenüber dem Tagesspiegel noch einmal Unverständnis für die "prophylaktische" Klageandrohung. Als denkbare Erklärung des Vorgehens der CDU Wiesbaden nennt er nicht nur die von den Politikern befürchtete zusätzliche Arbeitsbelastung, sondern auch eine Angst vor Kontrollverlust. "Viele Abgeordnete möchten die Kommunikation mit dem Bürger ungern aus den eigenen Händen geben." Dabei hätten insbesondere Kommunalpolitiker so viel gar nicht zu befürchten. Mehr als ein oder zwei Anfragen im Jahr seien im Durchschnitt nicht zu erwarten.

Der Kreisverband der CDU wollte am Mittwochnachmittag keine Stellungnahme abgeben. Angesichts des Respekts vor dieser Art der Auseinandersetzung mit dem Bürger ist den Fraktionsmitgliedern der Spott auf Sozialen Plattformen wie Facebook oder Twitter aber schon einmal sicher. Dass die Digitalisierung der Politik eine große Herausforderung ist, hat auch Bundesinnenminister Friedrich gerade erst beim Demokratiekongress in Berlin noch einmal unterstrichen. Doch immer wieder lassen Politiker im Umgang mit digitalen Medien die nötige Souveränität vermissen, so zuletzt der österreichische Bundeskanzler Werner Faymann, der mit gefälschten Facebookfreunden in die Schlagzeilen geriet.

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