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Stammzellgesetz: Schavans Dilemma

Die Bildungsministerin Annette Schavan will eine Lockerung des Stammzellgesetzes - um Schlimmeres zu verhindern. Damit will sie eine "eine Entwicklung zu befördern, die zu immer weniger Embryonenverbrauch führt".

Da sitzt sie wieder und kann nicht anders. Im eng geschnittenen Kostüm, ganz streng, ganz konzentriert. Annette Schavan, die Forschungsministerin, muss – zwei Tage vor der Parlamentsdebatte – klarstellen, worum es inhaltlich geht beim ethisch so aufgeladenen Thema Stammzellen. Worum es ihr geht. Und warum ausgerechnet sie, die Christdemokratin und engagierte Katholikin, die Forschung mit embryonalen Stammzellen erleichtern will – und sich damit ebenso gegen die Bischöfe ihrer Konfession stellt wie gegen große Teile ihrer Partei.

Auf den Punkt gebracht lautet ihre philosophisch reizvolle Begründung: Wir müssen das ethisch Problematische jetzt tun, um es künftig vermeiden zu können. Nur mit einer Lockerung der bisherigen Regelung könne es gelingen, „eine Entwicklung zu befördern, die zu immer weniger Embryonenverbrauch führt“. Ohne embryonale Stammzellforschung wären auch andere „Wege des Heilens“ nicht begehbar. Die Erfolge mit ethisch unverdächtigen adulten Zellen wären anders nicht möglich gewesen. Und um diese Methode weiterentwickeln zu können, brauche man auch weiterhin Zelllinien von Embryonen als „Richtgröße“ – und zwar „neue und unverschmutzte“.

Deshalb ihr Plädoyer für eine Verschiebung des bisherigen Stichtags für den Zellimport um fünf Jahre. Wichtig daran: Auch die neue Begrenzung läge noch in der Vergangenheit. Es gehe also weiterhin von Deutschland kein Anreiz zur Züchtung und Tötung neuer Embryonen für Forscher aus. Genau dies, sagt Schavan, sei die Intention des Stammzellgesetzes von 2002 gewesen. Und man werde „alles tun, um diese Substanz zu erhalten“.

Deshalb stört sich die Ministerin auch an dem Wort Liberalisierung. Lieber spricht sie von „Weiterentwicklung“ – und zwar „ in der bisherigen Logik des Gesetzes“. Von „Dammbruch“ oder „grenzenloser Forschung“ könne bei einer einmaligen Stichtagsverschiebung sowieso nicht die Rede sein. Dies wollten nicht mal die Befürworter einer kompletten Forschungsfreigabe, behauptet Schavan. Sie seien nur der Meinung, dass es anstelle von Verboten „auch andere Strukturen geben kann, aus denen sich in der Wissenschaft Verantwortung entwickelt“.

Das ist nicht die Meinung der Ministerin, wohlgemerkt. Und sie gibt zu, dass „die Heftigkeit der Argumentation der Forschungsbefürworter vor sechs Jahren nicht den Ergebnissen entspricht“. Wobei sie wiederum nicht sagen will, die Erwartungen hätten sich nicht erfüllt. Es ist ein kleiner Spagat, den Schavan in dem, was sie ihr „ethisches Dilemma“ nennt, vollführt. Besonders deutlich wird das an dem Punkt, den ihr Kritiker gern vorhalten. Es werde nicht bei der „einmaligen“ Stichtagsverschiebung bleiben, orakeln sie und benutzen dafür den Begriff der „Wanderdüne“. Die Ministerin windet sich. Man tue „das, was jetzt notwendig ist“. Und dass sich das Parlament in einigen Jahren mit der dann bestehenden Situation befassen müsse. Wobei sie meine, dass die embryonale Stammzellforschung bis dahin stark an Bedeutung verloren haben könnte.

Könnte. Die Vagheit der Prognosen kontrastiert seltsam mit Schavans Berufung auf die „Fakten“. Sie habe sich „wirklich lange mit dem Thema beschäftigt“, versichert sie. Und irgendwann sei ihr deutlich geworden, dass es „Tatsachen gibt, die ich nicht ignorieren kann.“ Es sei „eine Frage intellektueller Redlichkeit, das nicht wegzuschieben“. Jetzt spricht Schavan von „Verantwortungsethik“ – und zitiert damit keinen katholischen Bischof, sondern einen evangelischen: den in ihrem Sinne argumentierenden Wolfgang Huber. Beides habe nun mal Konsequenzen, sagt sie, das Tun wie das Nichttun. „Es gibt hier keine Lösung, wo man fein raus wäre.“

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