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Politik: Stark in der Krise

Bei Südafrikas Parlamentswahl wird ein Sieg des ANC erwartet

Von Wolfgang Drechsler,

Kapstadt

Im staubigen Hüttenmeer der Townships wirkte Thabo Mbeki eher deplatziert. Während seine Minister in T-Shirt und Jeans in den Wahlkampf zogen, kam Südafrikas Präsident zu seinen Auftritten oft wie für eine Vorstandssitzung gekleidet. Weil das vor allem in den Armenvierteln schlecht ankam, verordneten Berater dem 61-Jährigen kurz vor den Parlamentswahlen einen Imagewechsel. In den letzten Wochen hat der Präsident nun ungezählte Hände geschüttelt, Babys geküsst, auf der Bühne getanzt und den Klagen vieler Schwarzer über Wohnungsnot und hohe Lebenshaltungskosten gelauscht.

Aus gutem Grund: Wenn Südafrika an diesem Mittwoch zum dritten Mal nach dem Ende der Apartheid zur Wahlurne schreitet, werden die Schlangen vor den Wahllokalen vermutlich kürzer sein als vor zehn Jahren. Das liegt nicht nur daran, dass sich trotz Fortschritten im Hausbau und in der Wasserversorgung viele Versprechungen nicht erfüllt haben. Vor allem junge Menschen empfinden Südafrikas junge Demokratie inzwischen als selbstverständlich. Eine niedrige Wahlbeteiligung könnte den Afrikanischen Nationalkongress (ANC) die Zweidrittelmehrheit kosten. Dass die frühere Widerstandsbewegung gewinnen wird, bezweifelt aber niemand. In sieben von neun Provinzen dürfte der ANC über 50 Prozent erhalten. Und so hat der Präsident trotz Ernüchterung beim Volk auch ein Festhalten am bisherigen Kurs angekündigt: „Keine neue Politik, keine neuen Initiativen“. Mbekis ANC verspricht unter dem Slogan „Ein besseres Leben für alle“, Armut und Arbeitslosigkeit bis 2014 zu halbieren. Denn zusammen mit der hohen Kriminalität und einer verfehlten Aids-Politik gehört die Arbeitslosigkeit zu den Kernthemen des Wahlkampfes.

Obwohl der ANC seit 1995 über zwei Millionen Jobs geschaffen haben will, finden immer weniger Jugendliche eine Arbeit. Zugleich fehlen Fachkräfte: Der Chefökonom der Standard Bank, Iraj Abedian, schätzt, dass an Schulen, Universitäten, Krankenhäusern und im Staatsdienst bis zu 500 000 Posten unbesetzt sind, weil qualifizierte Bewerber fehlen. Offiziell liegt die Arbeitslosenquote bei 31 Prozent, inoffiziell geht man von 42 Prozent aus – Tendenz steigend. Unter den Schwarzen hat über die Hälfte keinen Job. Dennoch dürfte die oppositionelle Democratic Alliance daraus kaum Zugewinne ziehen, weil sie gegen den Eindruck kämpft, eine „weiße“ Partei zu sein.

Thabo Mbeki selbst ist zuversichtlich, dass mit dem erwarteten wirtschaftlichen Aufschwung die Entspannung am Arbeitsmarkt kommt. Trotz der Strukturprobleme, die derzeit die stärke Währung Rand und ein Immobilienboom verdecken, ist es Südafrika gelungen, seine Abhängigkeit von Rohstoffexporten wie Gold und Platin zu verringern. Einen starken Zuwachs haben die Dienstleistungen verzeichnet, die inzwischen über 60 Prozent zum Sozialprodukt beisteuern – ein Indiz dafür, dass sich das Land trotz aller Hindernisse allmählich zur ersten modernen Wirtschaft in Afrika entwickelt.

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