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Politik: Stark nach dem Rauswurf

Die Schill-Partei hat Schill als Landeschef in Hamburg abgesetzt. Der könnte dort jetzt die Koalition platzen lassen

Von Matthias Meisner

Von Günter Beling, Hamburg

und Matthias Meisner, Berlin

Über seine Wiederwahl konnte sich Ronald Barnabas Schill genau eine Woche lang freuen. Am vergangenen Wochenende war der Parteigründer und frühere Hamburger Innensenator mit großer Mehrheit als Hamburger Landesvorsitzender seiner Partei im Amt bestätigt worden, und das deutete auf ein Comeback hin. Doch in der Schill-Partei wenden sich die Dinge zuweilen schnell – und nun, am Samstagmittag in Berlin, geht es um das Ende der politischen Laufbahn des 45-jährigen ehemaligen Richters.

Im Raum Mosel eines Kongresshotels im Stadtteil Lichtenberg sitzt der Bundesvorstand der Partei rechtsstaatlicher Offensive beisammen. Nach mehrstündiger Beratung soll klar sein: Schill ist nicht mehr Hamburger Landeschef, überhaupt darf er zwei Jahre lang kein Amt mehr in seiner eigenen Partei übernehmen. So hat es Bundeschef Mario Mettbach, Bundesvorsitzender und Bausenator in Hamburg vorgeschlagen, so entscheidet der Vorstand – nach Angaben Mettbachs mit sieben gegen zwei Stimmen.

Schill nimmt an der Sitzung teil, zu lachen hat er wenig. Seit August, als Hamburgs Bürgermeister Ole von Beust (CDU) Schill im heftigen Streit entlassen hatte, ist die Partei nicht mehr zur Ruhe gekommen. Viele in der Partei finden offenbar noch immer nicht schlimm, dass Schill Beust ein homosexuelles Verhältnis mit Justizsenator Roger Kusch unterstellt hat. Mettbach will nicht hinnehmen, dass der geschasste Senator immer wieder Beust und andere Spitzenpolitiker attackiert hat. Eine Erklärung hat der Parteichef vorbereitet, die Schill unterschreiben soll. Verbindlich soll der Parteigründer erklären, er werde politische Partner nicht mehr mit diffamierenden Aussagen überziehen. Schill unterschreibt nichts, schon beim Eintreffen hat er was von Mafia-Methoden gemurmelt.

Je länger die Sitzung dauert, um so voller wird der Flur vor dem Saal. Anhänger Schills sind eingetroffen, aus Hamburg, Berlin, Bremen und Schleswig-Holstein. Das Gerücht macht die Runde, der Vorstand wolle Schill sogar aus der Partei werfen. Die Leute vor dem Saal wollen ihrem Idol die Solidarität erweisen. Und klarmachen, dass sie zu Schill stehen, wie es der Parteifunktionär Willy Laaser aus Schleswig-Holstein formuliert. Er hat schon einen Freundeskreis für Schill gegründet und argumentiert, dass nur wenige Außenseiter in der Partei „den Zusammenhang nicht begreifen“ würden. Auch andere nehmen Schill in Schutz: Es könne ja sein, sagt Ingo Balzer, Chef des Ortsverbandes Berlin-Reinickendorf, dass Schill sich ein paar Beulen geholt habe. „Aber er ist mit Sicherheit die tragende Figur in der Partei.“

Doch ist diese Figur nun tatsächlich, wie Mettbach und seine Getreuen es anstreben, politisch am Ende? Nach vierstündiger Beratung verlässt ein kämpferischer Schill den Sitzungssaal, einer, der sich nicht geschlagen geben will. Er zweifele an der Rechtmäßigkeit des Votums, sagt Schill. Und fügt hinzu, dass er mehr Treue von der Partei erwartet habe. „Wir wollen Schill“, skandieren seine Anhänger in Sprechchören. Als ein Reporter des ZDF fragt, ob Mettbach denn nur von Ole von Beust ferngesteuert sei, legt Schill erst richtig los. Zur „Marionette des Bürgermeisters“ sei Mettbach geworden, überhaupt sei die Schill-Partei in Hamburg „unter das Joch der CDU geraten“. Einen Bundesparteitag strebt Schill an, will sich dafür das Votum von fünf Landesverbänden holen. Mettbach, prophezeit er schon mal, „ist politisch tot“.

Keiner leugnet den Riss, der durch die Partei geht – und es ist gut möglich, dass er dazu führt, dass schon in wenigen Tagen die Hamburger Regierungskoalition aus CDU, Schill-Partei und FDP platzt. Neben Schill stehen zwei Bürgerschaftsabgeordnete, Bodo Theodor Adolphi und Richard Braak, und deuten ihr Ausscheiden aus der Fraktion und den Koalitionsbruch bereits an. Schill will sich erst nach Gesprächen mit seinen Anhängern definitiv äußern. Adolphi sagt, einen „Königsmord“ werde er nicht zulassen. Und Braak versichert, sieben von 25 Fraktionsmitgliedern stünden hinter Schill: „Das reicht.“ Andere beteuern ihre Loyalität zu Mettbach. Fraktionschef Norbert Frühauf lässt erklären: „Die Fraktion steht zur Koalition. Wir spalten uns nicht. Es wird weitergehen – mit oder ohne Herrn Schill.“

Derzeit noch haben die Hamburger Koalitionsparteien zusammen 64 der 121 Sitze im Abgeordnetenhaus, 25 davon entfallen auf die Schill-Partei. Scheiden mehr als drei „Schillianer“ aus, gelten Neuwahlen als wahrscheinlichster Ausweg aus der Regierungskrise. Selbst Schill-Kontrahent Mettbach will diesen Weg nicht ausschließen. Er sei möglicherweise „sinnvoller als eine weitere Hängepartie“, meint er. Von Beust selbst will erstmal abwarten: Ob die parlamentarische Mehrheit der Koalition von 61 Stimmen vorhanden ist, „wird sich in den nächsten Tagen herausstellen“, lässt er über seinen Sprecher mitteilen.

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