zum Hauptinhalt

Start-Vertrag: Abbau von Atomwaffen: Eine unendliche Geschichte

Neue Runde: Bei seinem Antrittsbesuch in Moskau am kommenden Montag will US-Präsident Barack Obama über ein Nachfolgeabkommen für den Ende 2009 auslaufenden Start-Vertrag zum Abbau von Atomwaffen sprechen.

„Wir werden über Höchstgrenzen sprechen“, sagte Obama in einem am Freitag veröffentlichten Interview mit der Agentur Itar-Tass. Die Geschichte des Start-1-Vertrages ist eine unendliche. Das Kürzel steht für Strategic Arms Reduction Treaty: Vertrag zur Reduzierung strategischer Waffen. Gemeint sind Langstreckenraketen, die mit atomaren Gefechtsköpfen bestückt werden. Initiiert von US-Präsident Ronald Reagan, begannen die Verhandlungen mit der Sowjetunion bereits 1982. Unterzeichnet wurde der Vertrag erst am 31. Juli 1991, von George Bush Senior und Michail Gorbatschow, dem Präsidenten der Sowjetunion. Für die Ratifizierung brauchten Moskau und Washington weitere dreieinhalb Jahre. Als das Abkommen am 5. Dezember 1994 in Kraft trat, gab es die Sowjetunion nicht mehr. Und im Weißen Haus in Washington saß statt des Republikaners Bush der Demokrat Bill Clinton.

Es war ein Durchbruch bei Abrüstung und Rüstungskontrolle. Beide Seiten einigten sich auf Obergrenzen von 1600 Trägersystemen mit maximal 6000 Nukleargefechtsköpfen und ein effizientes Verifikationssystem. Dieses sah neben Vor-Ort-Inspektionen auch ein Verbot der Verschlüsselung von telemetrischen Daten vor, die Raketen bei ihren Testflügen an die jeweiligen Kommandozentralen übermitteln. Ein Zusatzprotokoll regelte zudem den Verzicht Kasachstans, der Ukraine und Weißrusslands auf die noch zu Sowjetzeiten auf ihrem Gebiet stationierten Kernwaffen.

Ein 1993 unterzeichnetes Folgeabkommen – Start 2 – wurde nie ratifiziert und daher nicht wirksam. Und Konsultationen zum einem weiteren Abkommen verliefen Ende der neunziger Jahre ergebnislos im Sande.

Viktor Jesin hat alle Höhen und Tiefen russisch-amerikanischer Bemühungen um strategische Abrüstung hautnah miterlebt. Der Generalleutnant im Ruhestand war bis 1998 Chef der russischen Raketentruppen. In den Achtziger Jahren war er Chef einer fünfköpfigen Expertengruppe,welche die fünf führenden Mitglieder des Politbüros der Kommunistischen Partei – zu Sowjetzeiten die eigentliche Regierung des Landes – bei Diskussionen um mögliche Varianten des Start-1-Vertrages beriet.

Als die Verhandlungen begannen, hätten die USA mehr Raketen als reale Ziele gehabt und diese daher sogar auf Parteikomitees in strategisch bedeutungslosen sowjetischen Kleinstädten mit 50 000 Einwohnern ausgerichtet, erinnert sich Jesin. Auch sei das Misstrauen so groß gewesen, dass Experten bei den Verhandlungen stundenlang über Details wie die Länge von Linealen stritten, mit denen die Raketenschächte vermessen werden sollten. Ähnlich zermürbend seien Versuche gewesen, Schneisen in den Dschungel von Klammern, Fußnoten und Querverweisen zu schlagen, von denen der über 500 Seiten starke Vertrag anfangs nur so strotzte. Das sei jedoch notwendig gewesen, um beiden Seiten die Möglichkeit zu nehmen, den Vertrag unterschiedlich auszulegen. Der Aufwand, sagt Jesin, habe sich jedoch gelohnt, und eine derartige Expertenkommission sei auch für den Feinschliff eines neuen Start-Abkommens erforderlich.

Zur Startseite