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Bundespräsident Christian Wulff und die Bundesbeauftragte für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der DDR, Marianne Birthler.

© dpa

Stasi-Ausstellung: Wulff warnt vor DDR-Verklärung

Briefe wurden geöffnet, Gerüchte gestreut, Freunde isoliert. Wie die DDR-Staatssicherheit in das Leben vieler Menschen eingriff, zeigt eine neue Ausstellung in Berlin. Bundespräsident Wulff hat sie eröffnet.

Bundespräsident Christian Wulff hat vor einer Verklärung der Diktatur in der DDR gewarnt. Wulff nannte es am Samstag in Berlin "erschreckend, wie verklärend viele heute rückblickend auf die DDR schauen und die Menschenrechtsverletzungen, die Unfreiheit einfach ausblenden". Es habe in der DDR natürlich auch normalen Alltag gegeben. In diesem seien die Mitarbeiter der Staatssicherheit aber eben immer präsent gewesen.

Wulff eröffnete unweit des ehemaligen Grenzübergangs Checkpoint Charlie an der Zimmerstraße in Berlin-Mitte die neue Dauerausstellung der Stasi-Unterlagenbehörde. Genau vor 21 Jahren, am 15. Januar 1990, erstürmten DDR-Bürger die Berliner Stasi-Zentrale in Lichtenberg und stoppten die Vernichtung von Geheimdienstakten. Erstmals hatten Bürger Anfang Dezember 1989 dort Zugang erzwungen.

Der Bundespräsident rief die Bürger, insbesondere junge Leute dazu auf, sich die Ausstellung anzusehen. Wer dies tue, der werde erschrecken, wie systematisch die Stasi über vier Jahrzehnte alle Lebensbereiche von Hunderttausenden durchdrungen habe und mit welch perfiden Methoden sie Paare, Familien, Freundschaften, berufliche Pläne und damit letztlich ganze Leben zerstört habe. Es sei gut, dass die Ausstellung an so einem zentralen Ort gezeigt werde, wo viele Besucher Berlins auch aus dem Ausland sich über die Stasi in einer "sehr komprimierten Form" informieren können. Er drückte den Wunsch aus, dass die Exposition künftig räumlich erweitert wird.

Die Behörde selbst habe eine "bleibende" Bedeutung, auch wenn sie selbstverständlich in den kommenden Jahren ihren Charakter und ihre Sachgebiete ändern werde weg vom Zusammensetzen vernichteten Materials hin zu stärkerer wissenschaftlicher Begleitung, sagte Wulff mit Blick auf die Diskussionen um das weitere Bestehen der Einrichtung. Eine große Aufgabe werde es sein, das Wissen von Zeitzeugen zu sichern. Über die Zukunft der Behörde wirklich zu befinden hätten aber die Bundesregierung und das Parlament.

Wulff kritisierte scharf, dass viele Täter die Folgen ihres Handelns heute verharmlosten und manche sogar ihre Opfer verhöhnten. Dem müsse man lauter entgegentreten. Auch müssten weitere Orte zur Aufklärung und Mahnung geschaffen werden. Er selbst wolle zusammen mit der Stiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur in der eigenen Veranstaltungsreihe "Zukunft der Demokratie" seinen Teil zur Aufklärung beitragen. Dabei solle das Wissen derer nutzbar gemacht werden, die als Zeitzeugen über ihre Diktaturerfahrungen berichten können. Das Konzept dafür sei soeben für die nächsten vier Jahre entwickelt worden. Jährlich würden zwei thematische Schwerpunkte gesetzt.

Der Bundespräsident rief dazu auf, viel deutlicher jene zu würdigen, "die damals System zum Einsturz gebracht haben, die damals die Einheit und den Fall der Mauer ermöglicht haben, die die Geheimdienstakten der Stasi gesichert haben und damit eine Aufarbeitung ermöglicht haben".

Dank an Birthler und Gauck

Er dankte zugleich der scheidenden Beauftragten für die Stasi-Unterlagen, Marianne Birthler, und ihrem Vorgänger Joachim Gauck, sowie den Mitarbeitern der Behörde für ihre Arbeit und ihr Engagement. Die frühere Bürgerrechtlerin ist seit 2000 Leiterin der Behörde und scheidet nach zwei Amtsperioden regulär am 14. März aus. Nachfolger soll der in der DDR politisch verfolgte Roland Jahn werden.

Birthler sagte, sie sehe im Besuch des Präsidenten eine Stärkung für all jene Menschen, die sich dem Thema Aufarbeitung widmen. Gleichzeitig sei der Besuch eine Wertschätzung aller, die seinerzeit zum Ende der DDR-Diktatur beigetragen hätten. Vor allem aber sehe sie in dem Eröffnungsrundgang eine Ermutigung für die künftige Arbeit der Behörde.

Die Vereinigung der Opfer des Stalinismus nannte den Besuch Wulffs ein "richtiges Zeichen" angesichts "immer dreister werdender Täter", die Geschichtsfälschung betrieben. "Die Kommunismus-Äußerungen von Linke-Chefin Lötzsch zeigen, dass viele die Diktatur, in der Millionen Menschen ihr Leben verloren haben, inzwischen verharmlosen. Jugendliche müssen erfahren, was im Namen des Kommunismus geschah. Das ist das beste Mittel gegen Ostalgie?, hieß es. Der Verband appellierte an Verantwortliche in Politik und Gesellschaft, die neue Ausstellung gezielt zur Bildung der Schulklassen zu nutzen. (dapd/dpa)

"Stasi. Die Ausstellung zur DDR-Staatssicherheit" Bildungszentrum der Stasi-Unterlagen-Behörde (BStU) Berlin Zimmerstraße 90/91 Öffnungszeiten: montags bis samstags, 10 bis 18 Uhr Katalog 12 Euro

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