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© ddp

Stasi-Mitarbeit: „Verrat wird benannt“

Die Bundesbeauftragte für die Stasiunterlagen Marianne Birthler im Gespräch mit dem Tagesspiegel über IM-Klarnamen in der Öffentlichkeit.

Heute will das Landgericht Zwickau urteilen, ob der Klarname eines Stasi-IMs in einer Ausstellung genannt werden darf. Wäre das ein Sieg des Rechtsstaats?



Ein Erfolg für die Aufarbeitung. Wir hatten uns über die Eilentscheidung des Gerichts, mit der die Namensnennung unterbunden wurde, sehr gewundert. Denn sie ließ die einschlägigen Bestimmungen des Stasiunterlagengesetzes zunächst außer Acht. Wenn nun die eigens im Gesetz geschaffenen Bestimmungen, die das Nennen von IM-Namen in der Öffentlichkeit erlauben, respektiert werden, dann wäre das eine sehr erfreuliche Entwicklung.

Was ist mit dem Persönlichkeitsrecht?

Es ist ja nicht so, dass frühere inoffizielle Mitarbeiter vogelfrei wären. Sie haben einen Anspruch darauf, dass sehr persönliche Daten unveröffentlicht bleiben. Nur: Der Verrat ist nicht geschützt. Es ist eine klare Entscheidung des Gesetzgebers, dass Aufarbeitung nicht anonym erfolgt, dass der Verrat benannt wird und die, die früher für das MfS arbeiteten, nicht anonym bleiben. Das Stasiunterlagengesetz ist in dieser Hinsicht deutlich, das hat der Gesetzgeber ausdrücklich so gewollt.

Also bricht dieses Gesetz das Recht auf informationelle Selbstbestimmung?

Es bricht nicht, es schränkt ein. Das gilt bei der Aufarbeitung beispielsweise auch für Personen der Zeitgeschichte.

Aber bedarf es zur Aufarbeitung tatsächlich der konkreten Namensnennung?

Wir dürfen nicht so tun, als sei die Stasi einfach nur ein großer anonymer Apparat gewesen. Was die Stasi im Leben von Menschen angerichtet hat, war das Werk von Menschen und hatte Gesichter und Namen. Es war Anfang der 90er Jahre sehr umstritten, ob Personen, die ihre eigenen Akten einsehen, das Recht haben, auch die Klarnamen der IMs zu erfahren. Damals wurden viele Befürchtungen geäußert, die sich alle nicht bewahrheitet haben. Inzwischen ist es Normalität, dass Menschen erfahren, wer die Berichte über sie geschrieben hat. Das hat die Auseinandersetzung mit dem Unrecht, das Menschen widerfahren ist, erleichtert, ja, überhaupt erst ermöglicht. Das gilt auch für die Öffentlichkeit.

Auf der Gegenseite fallen Begriffe wie Prangerwirkung und Hexenjagd.

Das ist ja nichts Neues. Die Täter sollen plötzlich als Opfer gelten, da ist jede Dreistigkeit recht. Tatsächlich ist es aber anders, das ist auch die Erfahrung aus den vergangenen 17 Jahren Aktenöffnung: Seit Anfang der 90er Jahre wurden in der Stasiunterlagenbehörde rund 320 000 Auskünfte über Klarnamen von Stasispitzeln erteilt, und es gab weder Hexenjagd noch Selbstjustiz. Auch der IM Schubert wird sich nicht als Opfer stilisieren können. Dass das Gericht diesem dreisten Versuch nicht folgt, ist für die Opfer auch anderer IMs ein sehr wichtiges Signal.

Marianne Birthler ist die Bundesbeauftragte für die Stasiunterlagen. Ihre Behörde hat nach eigenen Angaben 320 000 Auskünfte über Klarnamen von früheren Stasispitzeln erteilt.

Das Gespräch führte Matthias Schlegel

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