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Politik: Stasi-Unterlagen: Auf einen Halbsatz kommt es an

Am 4. Juli 2001 bekam es Behördenchefin Marianne Birthler deutlich gesagt: Die Herausgabe der Kohl-Akten an Journalisten wäre rechtswidrig.

Am 4. Juli 2001 bekam es Behördenchefin Marianne Birthler deutlich gesagt: Die Herausgabe der Kohl-Akten an Journalisten wäre rechtswidrig. So lautete das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin. Ein Fehlurteil, meint Birthler. Weil alle Tatsachen geklärt waren und es nur noch um eine Rechtsfrage geht, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht nun in einer so genannten Sprungrevision. Jetzt gibt es zwei Möglichkeiten. Kohl gewinnt, dann ist der Rechtsstreit beendet. Oder er verliert. Dann kann er vor das Bundesverfassungsgericht ziehen. Birthler kann das nicht. Behörden haben keine Grundrechte.

Im Mittelpunkt steht ein Halbsatz aus dem Stasi-Unterlagen-Gesetz. Das Gesetz stellt Sonderregeln für Personen der Zeitgeschichte und Inhaber politischer Funktionen sowie Amtsträger in Ausübung ihres Amtes auf. Helmut Kohl war alles drei zusammen. Diese "Prominenten" sollen die Herausgabe von Akten dulden müssen, "soweit sie nicht Betroffene" sind. Betroffen wiederum ist - auch dies steht im Gesetz - wen die Stasi bespitzelt hat. Das Verwaltungsgericht hat sich eng an diesen Wortlaut gehalten. Kohl sei bei den meisten der Berichtsseiten ausgespäht worden, deshalb sei die Akte in Gänze zu sperren.

Die Stasi-Unterlagen-Behörde vertritt eine andere Auslegung. Der Wortlaut sei nicht maßgeblich, weil sonst de facto alle Akten Prominenter unter Verschluss blieben. Die Vorschrift verlange lediglich, dass Privates geschwärzt würde. Doch was ist privat? Nur Dinge wie Kohls Familienleben? Oder auch ein vertrauliches Gespräch unter Spitzenpolitikern? Auch diese Frage will das Gericht am Freitag verhandeln.

Selbst wenn Birthler verliert, kann der Streit noch lange dauern. Denn sie will in diesem Fall das Gesetz ändern lassen. Sollte sich dafür im Bundestag eine Mehrheit finden, könnte Kohl womöglich wieder klagen. Das neue Gesetz könnte gegen sein Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung verstoßen - und deshalb verfassungswidrig sein.

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